Die Zukunft des ehemaligen Theaterhauses „Skala“ im Herzen Leipzigs ist weiter ungewiss. Der Verkauf verzögert sich mindestens bis Anfang 2017, teilte das Wirtschaftsdezernat der Stadt Leipzig auf Anfrage mit. Der Grund: Die kulturellen Nutzungskonzepte sollen „konkretisiert“ werden. Bis zum 4. Oktober sollen sich die Bewerber erklären, so Robert Staacke, Referent von Wirtschaftsbürgermeister Uwe Albrecht (CDU), gegenüber LVZ.de.
Ziemlich genau ein Jahr nach Abschluss der Ausschreibungsfrist flatterte den sechs Bietern der Behördenbrief auf den Tisch. Die Stadt fordert in dem Schreiben nach LVZ-Informationen unter anderem, dass sich die Bieter zum Umgang mit den bisherigen Mietern äußern, zu denen auch die Kneipe in der Skala gehört. Auch zu öffentlicher Nutzung, Zielgruppen und Finanzierungsmodell sollen sich die potenziellen Käufer erneut äußern.
Doch das ist längst nicht alles. Hintergrund des jetzigen Vorstoßes aus dem Liegenschaftsamt dürfte vor allem ein neues Verkehrswertgutachten der Stadt sein. Die Nachfrage nach Grundstücken und Immobilien sei in Leipzig enorm gestiegen, und damit auch die Preise, so das Wirtschaftsdezernat in dem Schreiben. Den aktuellen Wert des denkmalgeschützten Gebäudes von 1882 beziffere das Gutachten nun mit 1,4 Millionen Euro – fast eine halbe Million Euro mehr als vor einem Jahr. Ursprünglich sollte das Haus für 860.000 Euro den Besitzer wechseln oder per Erbbaupacht vergeben werden.
Die Stadt Leipzig dürfe aus rechtlichen Gründen eigene Immobilien nicht unter dem Verkehrswert verkaufen, erklärt das Liegenschaftsamt. Für die Bieter heißt das: Sie müssen ihr Kaufangebot in kurzer Zeit nachbessern, Finanzierung und die Perspektiven der wirtschaftlichen Betreibung auf die neue Summe ausrichten. Für Kulturanbieter mit einer zuvor schon knapp gestrickten Finanzierung könnte das nach einem Jahr Wartezeit das Aus bedeuten.
Geduldsprobe für die Cinémathèque
Welche Konzepte und Bieter um den Standort wetteifern, gibt die Stadt im laufenden Verfahren nicht bekannt. Die Cinémathèque Leipzig, derzeit in Räumen der „naTo“ in der Leipziger Südvorstadt ansässig, hat allerdings nie einen Hehl daraus gemacht, dass die ehemalige „Skala“ ihr Wunschstandort für ein Filmkunsthaus mit internationaler Strahlkraft ist. Eine Residenz für Filmschaffende sollte entstehen, unter dem Motto mittelständische Medienwirtschaft trifft auf internationale Medienkunst. Dazu sollten aktuelles Programmkino sowie experimentelle Filmkunst auf drei Leinwänden flimmern.
Noch im August zeigte sich Cinémathèque-Geschäftsführerin Angela Seidel trotz Geduldsprobe optimistisch gegenüber LVZ.de, auch wenn es ein großer Kraftakt sei, die Unterstützer und Finanziers über die Dauer des Bieterverfahrens von rund einem Jahr bei der Stange zu halten. Zum Netzwerk der Vision Filmkunsthaus gehören namhafte Unterstützer wie das Festival Dok Leipzig, die euro-scene Leipzig, die Filmproduktion Alte Celluloid Fabrik oder auch Zentralstadion-Besitzer Michael Kölmel, der bis 2008 mit „Kinowelt“ und nun mit der Firma „Weltkino“ als Filmverleiher aktiv ist. Die Cinémathèque brachte eine Genossenschaft in Gründung mit dem Ziel, ein Filmkunsthaus in Leipzig wirtschaftlich eigenständig betreiben zu können, auf den Weg.
Stadträte bestehen auf Kulturhaus
Zu den neuen Entwicklungen im Bieterverfahren will sich die Cinémathèque derzeit nicht äußern. Dem Vernehmen nach herrscht Bestürzung. Doch schon vor dem Schreiben aus dem Wirtschaftsdezernat äußerte Seidel auf Anfrage von LVZ.de, dass sich die Initiative mittlerweile notgedrungen auch nach anderen Standorten in Leipzig umsehe.
Der politische Wille ist klar: Ein Kulturhaus im Herzen der Stadt soll die Gottschedstraße 16 mit ihren rund 2000 Quadratmetern Nutzfläche auf jeden Fall bleiben. Das legte der Stadtrat im Februar 2015 auf Antrag von Grünen- und Linksfraktion fest. Auch die Möglichkeit zur Erbpacht muss die Kommune in Betracht ziehen, heißt es in dem Beschluss.
Die ehemalige Spielstätte des Schauspiel Leipzig ist stark sanierungsbedürftig. Seit 2011 musste das Theater den öffentlichen Spielbetrieb dort aufgeben. Voraussichtlich bis zum Sommer 2017 nutzt das Schauspiel noch eine Probebühne im Haus als Interim. Danach wird die ehemalige Diskothek in der Bosestraße ausgebaut sein – und die „Skala“ endgültig Geschichte.
Von Evelyn ter Vehn