„Wir werden gerade überrannt“, sagt Christian Walther, Projektleiter Asyl, und das sagt er mit hörbar guter Laune.
Dabei ist der Anlass eigentlich kritisch für die Stadt. 626 Asylberwerber wurden in diesem Jahr schon aufgenommen, die aktuelle Prognose liegt bei 1439. Von den noch kommenden, rund 800 Flüchtlingen ist Platz für knapp die Hälfte vorhanden. Unterkünfte fehlen für rund 350 bis 400 Personen, rechnet Walther vor. „Diesen Anstieg hat keiner vorhergesehen“, sagt er. Die Stadt schlug Alarm, suchte private Häuser, Pensionen oder Ferienwohnungen.
Mehr als 60 Angebote sind bereits eingegangen, von Immobilienunternehmen, die schon in Leipzig am Markt seien, sowie von privaten Vermietern. Die Lage der Häuser sei unterschiedlich: Von zentrumsnah bis Stadtrandlage sei alles dabei, hieß es aus der Behörde. Auch ein ehemaliges Studentenwohnheim ist unter den Objekten. Mitarbeiter des Sozialamts sind bereits unterwegs, um Angebote selbst in Augenschein zu nehmen – Größe, Grundriss und Mietpreis müssen stimmen.
Keine Luxussanierung auf Kosten der Stadt
Die Stadt zahle Mieten nach der Richtlinie für die Kosten der Unterkunft. Der Preis liege durchschnittlich bei 5,81 Euro pro Quadratmeter. Luxusrenovierungen auf Kosten der Kommune werden nicht stattfinden. „Das muss alles robust und praktisch sein“, sagt Walther. Ein extra Budget für die Herrichtung der Unterkünfte gebe es auch nicht. Die Vermieter finanzieren die Sanierung und legen die Kosten dann langfristig auf die Miete um.
Die Stadt sucht vorzugsweise Objekte für 50 bis 150 Personen, um für die Neulinge eine gemeinsame soziale Betreuung zu organisieren. Einige größere Immobilien haben sich die Mitarbeiter des Sozialamts schon angesehen. „Bei einem sieht es gar nicht so schlecht aus“. sagt Walther, ohne Details zu nennen.
LWB: 1900 Mietverträge mit Migranten
Immer wieder hatte Sozialdezernent Thomas Fabian (SPD) dem Stadtrat erklärt, wie schwer es sei, geeignete Objekte für die Unterbringung von Flüchtlingen in der Stadt zu finden. Hauptansprechpartner ist die stadteigene Wohnungsgesellschaft LWB, die erst im vergangenen Jahr zwei Asylbewerberunterkünfte fertiggestellt hat. Da sich Leipzig zur dezentralen Unterbringung bekennt, werden von der LWB außerdem im gesamten Stadtgebiet Wohnungen an Migranten vermietet. Derzeit gebe es 1900 Mietverträge mit Kunden aus 100 Ländern, so Sprecherin Samira Sachse gegenüber LVZ-Online. Bei der Zahl sind auch Verträge mit Zuwanderern aus der EU und mit Neu-Leipzigern berücksichtig, deren Asylverfahren bereits beendet ist.
Die Plätze reichten im vergangenen Jahr trotzdem nicht aus: Im November mussten Flüchtlinge im eilends hergerichteten ehemaligen Fechner-Gymnasium in Leipzig-Schönefeld provisorisch unterkommen. Angesichts der großen Resonanz auf den Aufruf für Vermieter fragen sich die Mitarbeiter des Sozialamts jetzt: „Warum haben wir das nicht schon eher gemacht?“ Beim Projektleiter Asyl wächst die Hoffnung, dass eine Unterbringung von Flüchtlingen in Turnhallen oder Zelten ungeliebte Theorie bleibt. Eine Planung dafür gebe dafür auch noch nicht. Walther geht aber davon aus, dass die Zahl der Asylbewerber auch im kommenden Jahr zunimmt: „Angebote sind weiter willkommen.“
Evelyn ter Vehn