Nostalgische Erinnerungen an eine alte Liebe: Barack Obama im Wahlkampf 2008. Jeder Satz ein Popsong, jede Rede eine Symphonie. Der Schritt swingend, die Argumente zwingend. Zehn Jahre ist es her, dass der halbe Planet in Liebe entflammte zu diesem rotzcoolen Charismatiker aus Hawaii. Und heute? Haben Millionen Menschen Vermissenskrämpfe. Im Weißen Haus sitzt Obamas exaktes Gegenteil: ein verbohrter, von humanistischer Bildung weit entfernter Egomane – ein Commander in schief. Und der smarte Medienstar Obama, von der Bürde des Amtes befreit, erinnert in punktuellen TV-Auftritten daran, wie sehr er fehlt. Als Premierengast in David Lettermans neuem Talk – zu sehen bei Netflix. Oder in der Doku „The Final Year“, über die der „Rolling Stone“ schrieb: „Sie werden weinen“ – zu sehen bei Netflix. Kein Zweifel: Die Linke hat Liebeskummer.
Nun keimt Hoffnung. Nicht dass Obama als politischer Wundertäter Trumps Präsidentschaftsparodie beendet. Aber laut „New York Times“ verhandelt er über eine eigene TV-Show, und zwar mit – Überraschung! – Netflix. Genaueres weiß man nicht. Aber Michelle Obama soll mitmischen.
Statt also für 400 000 Dollar Honorar pro Abend Schubladenreden vor 200 CEOs in Hotels mit übertrieben tiefem Teppichflor zu halten, zieht es Obama in das Medium, in dem er zu Hause ist. Dass er ein Entertainer ist, hat er bewiesen: mit Late-Night-Talker Jimmy Fallon bei „Slow Jam the News“. Oder mit Jerry Seinfeld in „Comedians in Cars Getting Coffee“. Titelvorschläge: „Barack Strikes Back“. Oder „The Obama Factor“. Oder einfach „O my God!“. Eine Late-Night-Show mit den Obamas? Vielleicht ist diese Trump-Katastrophe doch noch zu irgendetwas gut.
Von Imre Grimm