Der Brexit droht Sachsens Wirtschaft kalt zu erwischen: Auf den Austritt der Briten aus der EU sind die Unternehmen im Freistaat kaum vorbereitet – schlechter sogar als im Rest der Bundesrepublik. Das geht aus einer Studie der Industrie- und Handelskammern (IHK) hervor. Dabei ist das Land drittwichtigster Exportmarkt für Waren „Made in Saxony“, gleich hinter China und den USA.
Dieser Absatzmarkt könnte nun wegbrechen, warnt der Präsident der Industrie- und Handelskammer (IHK) Leipzig, Kristian Kirpal, der zugleich Sprecher der drei Kammern im Freistaat ist. „Ein Ausbremsen dieser Dynamik durch den Brexit hätte für Sachsen spürbar negative Folgen.“Auch wenn nicht alle Unternehmen direkt betroffen sein werden: „Wenn der Export aber ins Stocken kommt, dann ist das nachteilig für die Wirtschaft in Sachsen insgesamt.“
In den vergangenen Jahren sind Sachsens Ausfuhren nach Großbritannien förmlich durch die Decke geschossen: Waren im Wert von 2,66 Milliarden Euro gingen im vergangene Jahr dorthin. Das waren mehr als sechs Prozent der gesamten Ausfuhren des Freistaats – und knapp 20 Prozent mehr als ein Jahr zuvor. Seit 2009 hat sich das Volumen annähernd verdreifacht.
Vor allem Autos gehen über den Ärmelkanal: Jeder neunte BMW i3 ging 2017 aus dem Leipziger Werk direkt nach England. Insgesamt 3458 Stück waren es in dem Jahr – von gut 31 000, die weltweit verkauft wurden. BMW hatte sogar schon darüber nachgedacht, auch die Elektro-Versionen der Schwestermarke Mini ab 2019 in Leipzig bauen zu lassen. Den Zuschlag erhielt dann aber doch das englische Stammwerk in Oxford.
Noch besser als der i3 verkaufte sich in England der Porsche Macan aus Leipzig: 5854 Exemplare wurden 2017 dorthin geliefert – von weltweit 97 000. Unterm Strich entfielen 70 Prozent der sächsischen Exporte nach Großbritannien – 1,89 Milliarden Euro – auf den Kraftfahrzeugbau. Erst mit weitem Abstand folgt auf Platz zwei der Maschinenbau mit 171 Millionen Euro.
Wirklich auf den Brexit vorbereitet sind dennoch nur die wenigsten Betriebe im Freistaat. Von den hiesigen Firmen, die schon Geschäfte mit Großbritannien machen, fühlen sich nur acht Prozent angemessen vorbereitet, so das Ergebnis der IHK-Befragung. Das sind deutlich weniger als in anderen Bundesländern: Bundesweit lag der Wert bei immerhin zwölf Prozent. Und jedes fünfte sächsische Unternehmen, das Geschäfte mit den Briten macht, hat sich noch gar nicht mit dem Thema befasst.
Für die Unternehmen dürfte es nun ein Glücksfall sein, dass sich die EU und London jüngst auf eine Übergangsfrist bis Ende 2020 geeinigt haben. Diese Zeit müsse nun aber auch „produktiv genutzt werden“, um sich auf die Zeit danach vorzubereiten, mahnte Kirpal. „Wenn die Produkte durch Zölle so teuer werden, dass sie in Großbritannien nicht mehr abgesetzt werden können, oder der freie Warenverkehr durch andere Hürden behindert wird, dann wird es schwierig, auf dem Markt zu bestehen.“ Notfalls müssten sich die Sachsen dann neue Märkte suchen. „Zumindest bis Ende 2020 gilt ja eine Übergangsphase“, so Kirpal. „Aber anschließend müssen sich die Unternehmen dann auf anderen Märkten aufstellen.“
Von Frank Johannsen