Es ist kalt geworden in der Loberstadt: In der Eilenburger Straße hat sich eine ältere Radfahrerin ein Tuch vor den Mund gebunden, um dem eisigen Fahrtwind beim Atmen zu entgehen. Der bleibt in der Eilenburger Straße 65 außen vor, eine große Tür sichert den Zugang zum Fahrstuhl. Zweiter Stock, dann gleich links: Dort befindet sich die Kleiderkammer des Kreisverbandes Delitzsch des Deutschen Roten Kreuzes (DRK). Montag bis Freitag hält das DRK die nicht einmal 30 Quadratmeter große Kammer offen. Ehrenamtliche Helferinnen wie Silke G. geben in dieser Zeit Kleidungsstücke aus, nehmen an, was abgegeben wird, sehen es durch und sortieren es in den Bestand ein. Was nicht geeignet ist, landet wie das für die Kleiderkammer ungeeignete aus den Sammelcontainern im Wertstoffhof.
Armut kann jeden treffen
Silke G. arbeitet erst seit April zwischen den engen Gängen, die die vier Regale in der Kammer lassen. Nachdem sie arbeitslos geworden war, wollte sie nicht zuhause sitzen, sondern unter Leute kommen. „Und hier kann ich helfen.“ Sie scheut, ihren Namen zu nennen. Wenngleich nichts Anrüchiges an dem Ort zu finden ist, kommen viele mit einem Gefühl der Scham hier hin. Obwohl die Not viele Bevölkerungsteile treffe: „Querbeet, sogar die kleinen Steppkes rennen hier zwischen den Regalen rum. Und sind dankbar, wenn sie etwas Neues mitnehmen können“, sagt sie. Das bestätigt auch Christine Borrmann, Vorstandsmitglied des DRK und zuständig für die Kleiderkammer: „Es kommen junge Leute, Ältere, Familien oder auch Migranten.“ Wobei der Zulauf geflüchteter Menschen nachgelassen habe. Jetzt kommen vor allem die, die in der Umgebung in Unterkünften untergebracht sind, vor allem die Familien, die sich hier niedergelassen haben.
Hohe Spendenbereitschaft, wenig Lagerraum
Prinzipiell steht die Kleiderkammer Menschen aus dem Landkreis offen, die Bedarf haben. Um den nachzuweisen, genügt es, vor Ort einen entsprechenden Bescheid des Jobcenters, der Ausländerbehörde oder dergleichen vorzulegen. Vier Teile pro Monat geben die Ehrenamtlichen aus. Was, das hängt, davon ab, was in die Kleiderkammer kommt. Das DRK hat in Delitzsch nicht die Kapazitäten, um groß zu lagern. Das geht auch, weil sich die Kleiderkammer über einen steten Zulauf freuen kann: „Wir bekommen gute Sachen. Die Delitzscher sind fleißig“, sagt Christel Werthschulte. Sie ist mit am längsten dabei und die Älteste der zehn Ehrenamtlichen, die meist zu zweit auf ihre Kunden warten. Zirka 500 sind es im Monat, sagen Borrmanns Zahlen, und zwar fast ganzjährig. Der Bedarf, sagt sie, sei nicht gestiegen, aber sie habe das Gefühl, dass es Betroffenen leichter falle, Hilfe anzunehmen.
Hilfe durch Ehrenamtliche leichter anzunehmen
Was an der Atmosphäre durch die rührigen Ehrenamtlichen liege, die schon einmal wie im Geschäft berieten. Wenn doch einmal Sachen fehlten, wie zum Winteranfang, starte das DRK kurzfristig Aufrufe. Schuhe, Jacken, Hosen, Hemden, Mäntel sollten in einen gutem Zustand und tragbar sein. Im Idealfall sind sie kurz durchgewaschen. Das nehmen die Mitarbeiter gern entgegen, anderes, das komme leider auch vor, muten sie ihren Kunden nicht zu. Gleiches gilt für Bettwäsche oder Handtücher. Neben kleinem Hausrat ist auch Kinderkleidung immer gesucht, da diese noch häufiger ihre Sachen wechseln müssen. Ebenfalls vor Weihnachten rar: Spielzeug, um die Kleinsten Kleiderkammergäste zu erfreuen.
Die Kleiderkammer ist von montags bis donnerstags von 8 bis 16 Uhr, freitags von 8 bis 12 Uhr geöffnet.
Von Manuel Niemann