Dass der Radsport fit hält, zumindest aber der Gesundheit sehr zuträglich ist, das stellten ehemalige Pedalritter der einstigen BSG Traktor Grimma unter Beweis. Acht von ihnen, Jürgen Matyschiok, Reinhard Schwarz, Rainer Gebhardt und Gerhard Bache sowie Hans-Günther Krebs, Bernd Jankowski, Dieter Neustadt und Bernd Rottmann – alle inzwischen etwas über 70 Jahre – haben sich noch einmal in Nerchau getroffen, wo sie vor genau 60 Jahren erstmals am Radrennen „Rund um das Muldental“ teilnahmen. Ein Radklassiker, der als DDR-offenes Straßenrennen immer am 8. Mai, dem Tag der Befreiung gestartet wurde.
500 Athleten am Start
DDR-offen hieß, um die 500 Athleten in verschiedenen Jugend- und Juniorenleistungsklassen aus dem ganzen Vaterland traten in die Pedalen. Und zwar auf dem Rundkurs Nerchau, Neichen, Trebsen, Pauschwitz bis Hohnstädt und Grimma, weiter über Dorna, Golzern, Schmorditz und zurück nach Nerchau. Wie zum Beweis hatte Rottmann ein Programmheft von damals dabei, in dem die Runde mit 20,4 Kilometern Länge angegeben wurde. Und auch das Motto des Tages: „Sportler kämpfen für eine atomwaffenfreie Zone in Mitteleuropa“. Dabei hatten die Teenager damals eher eine gute Platzierung oder gar für den Sieg im Sinn. Ja, diese und weitere Geschichten wurden nun im Nerchauer Dorfgemeinschaftshaus noch einmal ausführlich erzählt. Dorthin hatte der Heimatverein mit selbst gebackenen Kuchen und duftendem Kaffee eingeladen.
Radsport war populär
Bei ihren Gesprächen schwelgten die Rad-Dinos in all ihren Erinnerungen. Und wenn man so will, haben sie jedes einzelne Rennen zumindest verbal noch einmal absolviert. „Damals“, so kramte Rottmann in seinen Erinnerungen, „waren mehrere Hunderte Radsportler am Start. Und dank der Friedensfahrt war der Radsport in dieser Zeit äußerst populär. Jetzt dagegen finden solche Straßenrennen nur noch ganz selten statt.“ Ein Grund seien die immensen Auflagen und Vorschriften, von den Kosten ganz zu schweigen. Früher haben wir beispielsweise der Feuerwehr einen Kasten Bier hingestellt, im Gegenzug sorgten die für Ordnung und Sicherheit an der Strecke.“ Umso lobenswerter sei es, so Rottmann weiter, dass die Radsportgemeinschaft Grimma (RSG) den Klassiker Rund um das Muldental am Leben erhält und auch in diesem Jahr am 24. Juni startet.
Diamant-Rennrad von einst
Vor sechs Jahrzehnten stand auch Dieter Neustadt am Start. Der 76-Jährige bestritt damals in der Lizenzklasse sein erstes Rennen überhaupt. Und noch immer fährt er auf seinem Diamant-Rennrad von damals, welches um die 500 bis 600 DDR-Mark kostete. Auffallend an Neustadts Rad ist der Ledersattel. „Jetzt kann ich es ja sagen, den habe ich mir 1960 für etwa 30 Westmark aus Westberlin geholt. Früh um vier mit dem Rad nach Potsdam und dann mit der S-Bahn rüber“, Neustadt werde es nie vergessen.
Unvergessen: der erste Sieg eines Einheimischen
Unvergessen auch der allererste Sieg eines Einheimischen beim Muldental-Rennen. Jürgen Matyschiok von Traktor Grimma stand als 18-Jähriger 1963 auf dem obersten Treppchen. Oder Bernd Jankowski, der 74-Jährige wurde 1962 Bezirksmeister beim Rennen in Mügeln – um nur zwei Beispiele ins Gedächtnis zu rufen, gleichwohl es noch viel mehr Erfolge der Traktor-Rennfahrer gab. Maßgeblichen Anteil daran hatten aber auch Hilde und Arno Kühn in der Jahnstraße Nerchau. „Dort war unser Vereinsdomizil, dort war unsere sportliche Heimat“ denken die Radsportler noch immer gerne daran zurück.
Von Frank Schmidt