Riesenchance für die Region: Eine brasilianische Investorengruppe will in Markranstädt rund 230 Millionen Euro investieren und für die Krebsbehandlung ein Protonentherapie-Konsultations- und Forschungszentrum errichten. Das erklärte Projektplaner Hans-Jürgen Schenk am Donnerstagabend den Stadträten. Die Stadtvertreter ebneten ihm den Weg einstimmig, verkauften seiner Consultingfirma rund 30 000 Quadratmeter Gewerbefläche in der Ranstädter Mark.
Schenk hatte das Vorhaben seit 2012 in Halle auf dem Weinbergcampus vorangetrieben. Bei dem Hochwasser 2013 habe das Gelände aber kurz vor der Überflutung gestanden. Die Verantwortlichen hätten darauf zugesagt, einen Deich zu bauen, seien dem aber bis heute nicht nachgekommen. „Im April haben wir zusammen mit dem Investor entschieden, diese Mätzchen nicht mehr mitzumachen, und uns kurzfristig nach einem anderen Ort umzusehen“, erklärte Schenk den Stadträten.
Über die Invest Region Leipzig GmbH habe er Grundstücke in Leipzig, Taucha, Borna, Markkleeberg und Bad Lausick angeboten bekommen, sich aber letztlich auch wegen der Nähe zu Leipzig und Halle für Markranstädt entschieden. Auf einer Fläche von 30 000 Quadratmetern an der Siemensstraße im Gewerbegebiet Ranstädter Mark soll nun das Zentrum mit vier Behandlungsplätzen und einem dreiteiligen Gästehaus für rund 230 Millionen Euro gebaut werden. 80 hochqualifizierte Arbeitsplätze könnten entstehen, mit dem Gästehaus zusammen rund 145, erläuterte Schenk seine Pläne. Er rechnet wegen der komplizierten Strahlungstechnik mit vier Jahren Bauzeit. „Wenn alles so läuft wie vorgesehen, könnte der erste Spatenstich im Mai/Juni nächsten Jahres sein“, erzählte er.
Diese Woche gab er beim Landkreis seine Bauvoranfrage bereits ab, traf sich auch mit Landrat Henry Graichen (CDU) zum Investorengespräch. Der steht dem Vorhaben positiv gegenüber, will mit seinen Ämtern den Prozess als Dienstleister zügig begleiten. Graichen: „Es ist unsere erste Ansiedlung über die Invest Region Leipzig GmbH. Erfreulich ist, dass es sich dabei gleich um eine bedeutende und wertige Investition verbunden mit der Schaffung von 145 Arbeitsplätzen vom hochqualifizierten bis zum Service- und Dienstleistungssegment handelt.“ Es sei „ein gutes Beispiel für eine effiziente Zusammenarbeit zwischen Stadt, Landkreis und Wirtschaftsförderungsgesellschaft“.
Bürgermeister Jens Spiske (FWM) nannte das geplante Vorhaben eine einmalige Chance nicht nur für Markranstädt, sondern für den Landkreis und die gesamte Region. „Wir sind uns der damit verbundenen Verantwortung bewusst und wägen jeden Schritt fachlich und in Ruhe ab. Unsere Wirtschaftsförderung und ich persönlich stehen deshalb in engem Austausch mit dem Investor, dem Landkreis und vielen weiteren Akteuren. Denn schließlich wollen wir das Projekt für unsere Region gewinnen“, erklärte er. Die Stadträte begrüßten die Pläne, hatten angesichts der hohen Investitionssumme aber durchaus auch Zweifel. Ihnen erklärte Schenk (63) , er sei seit 25 Jahren in der Immobilien-Branche tätig, habe rund 1,3 Milliarden Euro umgesetzt. Trotzdem: Laut Beschluss ist Schenk verpflichtet, binnen drei Jahren nach Genehmigung zu investieren, andernfalls hat die Stadt ein Rückkaufrecht.
Weltweit gebe es 40 Protonentherapie-Behandlungszentren, seien 120 000 Patienten damit schon behandelt worden, erläuterte Schenk den Hintergrund. In Deutschland gebe es bislang nur zwei größere Zentren in Essen und München, jährlich würden aber 500 000 Menschen neu an Krebs erkranken. Bei etwa zehn Prozent von ihnen sei eine Protonentherapie sinnvoll. Dabei trifft – anders als bei der bisherigen Strahlentherapie – der Protonenstrahl wesentlich präziser die Tumore, umliegendes Gewebe auch hinter dem Strahl werde nicht verbrannt, erläuterte Schenk die Technik.
Mit 19 Krankenhäusern habe er seit dem Hallenser Projekt bereits Kooperationsvereinbarungen. Er strebe einen Mix von 60 Prozent Kassenpatienten, 20 Prozent Provatpatienten und 20 Prozent ausländischen Gästen an.
Von Jörg ter Vehn