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Neues Dommuseum

Magdeburg im Ottonenfieber

Journalisten und Handwerker vor dem 3D-Druck des Deckels der Tumba des Erzbischofs Ernst von Sachsen im Ottonianum in Magdeburg.

Journalisten und Handwerker vor dem 3D-Druck des Deckels der Tumba des Erzbischofs Ernst von Sachsen im Ottonianum in Magdeburg.

Magdeburg. Ein wenig Zauber muss schon sein: Mit Hilfe moderner Computertechnik und einer 3D-Visualisierung wächst der Dom aus dem Nichts. Rund 300 Jahre Bauzeit werden im Zeitraffer absolviert, der Zuschauer darf teilhaben an der virtuellen Baustelle, darf erleben, wie ein scheinbar filetierter Fisch zur drittgrößten Kathedrale in Deutschland mutiert – zum Magdeburger Dom.

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Dieses außergewöhnliche Bauwerk steht im Mittelpunkt einer außergewöhnlichen Sehenswürdigkeit mit dem außergewöhnlichen Namen „Dommuseum Ottonianum Magdeburg“ in der sachsen-anhaltischen Landeshauptstadt. Ein Kooperationsprojekt der Stadt mit dem Landesamtes für Denkmalpflege und Archäologie, dem Landesmuseum für Vorgeschichte und der Kulturstiftung Sachsen-Anhalt. Rund 3,25 Millionen Euro von der Stadt und noch einmal 725 000 Euro vom Land über die Klosterbergische Stiftung sind geflossen und sollen unter anderem Magdeburgs Chancen verbessern, Europäische Kulturhauptstadt 2025 zu werden.

Eigentlich wurde der Magdeburger Dom ja sogar zweimal erbaut: ab 955 von Otto dem Großen und nach dem verheerenden Brand von 1207 von Erzbischof Albrecht II. von Käfernburg als erster gotischer Kathedralbau auf deutschem Boden nach französischem Vorbild. Wobei viele antike Bauteile des Vorgängers übernommen wurden.

Soweit die Theorie. Als am Dienstag die Journalisten zur großen Eröffnungspressekonferenz geladen und anschließend über die Baustelle geführt werden, sehen sie – des Kaisers neue Kleider. Einige im 3D-Drucker nachgebildete Epitaphe, Stifterfiguren und Kapitelle. Ansonsten sind die Baufortschritte –zumindest dem Anschein nach – seit dem Frühjahr eher überschaubar. Wenige Tage vor der Eröffnung am Sonnabend präsentiert sich das Museum im Erdgeschoss des 1924 eingeweihten Gebäudes der ehemaligen Reichsbank, das heute Sitz der Magdeburger Wohnbaugesellschaft (Wobau) ist, als ein unaufgeräumtes Lager. Phantasie ist gefragt.

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Dennoch rechnet die Direktorin Gabriele Köster mit rund 50 000 Besuchern im Jahr. Um nicht missverstanden zu werden: Das könnte auch aufgehen, wenn ab dem Wochenende dann tatsächlich das zu sehen ist, was versprochen wurde. Und falls das Projekt so umgesetzt wird, wie es seit acht Jahren fast geplant ist. Sachsen-Anhalts Landesarchäologe Harald Meller, Chef des Landesmuseums für Vorgeschichte in Halle, ist in dieser Beziehung jedenfalls zuversichtlich und prognostiziert sogar „eines der schönsten und interessantesten Museen“ des Bundeslandes.

Auf rund 650 Quadratmetern Ausstellungsfläche sollen drei große Themenkomplexe des europäischen Mittelalters in rund 100 Exponaten präsentiert werden: Kaiser Otto der Große (912–973) und die Königin Editha (910–946), das Erzbistum Magdeburg und die archäologischen Forschungen in und am Dom. Wem so viel Mantel der Geschichte nicht reicht, der kann sich an der Liebesgeschichte von Otto und der englischen Prinzessin Editha von Wessex erfreuen, die er 929 heiratete und der er Magdeburg als Morgengabe darbrachte (neben 32 Dörfern). Nach ihrem frühen Tod mit nur 36 Jahren, den Otto nie verwandt, ging er mit Adelheid von Burgund 951 eine neue Ehe ein und bestieg nach der Schlacht auf dem Lechfeld gegen das ungarische Heer schließlich den Kaiserthron. Das mittelalterliche Sachsen rückte unversehens in den Mittelpunkt Europas.

Zu den originalen Ausstellungsobjekten in der lichtdurchfluteten Schau, die vom Züricher Architekten Tristan Kobler gestaltet wurde und an der verlängerten Dom-Achse ausgerichtet ist, gehören spektakuläre Funde der Dom- und Domplatzgrabungen, darunter der Bleisarg Edithas, mittelmeerische Stoffe aus ihrer Bestattung, kostbare Beigaben aus den Gräbern der Erzbischöfe Wichmann von Seeburg (1115–1192) und Otto von Hessen (1301–1361), das gemauerte und 3,5 Tonnen schwere Grab eines Vertrauten Kaiser Ottos des Großen aus dem Jahr 963 sowie antik-römische Bauteile von den ottonischen Bauten am Domplatz.

Um den Besucher bei Spannung zu halten, erfährt er außerdem ganz nebenbei etwas über das Hüftleiden der Königin („Eine Folge der Reisen“, sagt Köster). Oder auch über die Käfer, die in ihrem Sarkophag gefunden wurden, heute viel über Edithas Tod preisgeben und nun als Repliken käufliche Maskottchen im Shop neben dem „Café Editha“ geworden sind. Gemeinsam mit dem Dom, dem Kloster Unser Lieben Frauen und dem Kulturhistorischen Museum ist das Magdeburger Museumsquartier damit komplett.

Dabei hatte es im Vorfeld immer wieder Streit um den Namen gegeben. „Interesse wecken und gleichzeitig nicht mehr versprechen, als im Museum zu finden ist“, sei das Ziel gewesen, sagt Magdeburgs Kulturbeigeordneter Matthias Puhle. Statt schlicht „Dommuseum“ fiel die Wahl auf „Dommuseum Ottonianum Magdeburg“. Das rief Streit unter den Einheimischen hervor. Auf dem Internetportal der „Volksstimme“ ätzte ein Leser gegen SPD-Oberbürgermeister Lutz Trümper: „Wie wäre es denn mit Trümperiarum ... als hätten wir hier nichts anderes zu tun. Der Ottokult ist doch schon übertrieben und nervig.“ Aber es gab auch andere Stimmen: „Die Stadt versucht seit Jahren, mit Otto I. Stadtmarketing zu betreiben und sich mit der eigenen historischen Einordnung als weniger unwichtig darzustellen, als sie im Vergleich mit anderen deutschen Städten erscheinen mag.“ Nun, denn.

Von Roland Herold

LVZ

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