Christian Prokop wirkte angespannt. Ein Tippelschritt links, einer rechts. Da war das All Star Game Freitagabend in seinem Wohnzimmer, der Arena Leipzig, noch gar nicht angepfiffen. Verständlich, nach all den Nebengeräuschen, den ausgemachten atmosphärischen Störungen. Selten stand ein Trainer der Handball-Nationalmannschaft nach dem EM-Aus in der Zwischenrunde so im Kreuzfeuer wie der 39-jährige gebürtige Köthener. „Was in den letzten zehn Tagen passiert ist, war nicht menschlich. Es war teilweise sehr unmenschlich. Es gab viele Halb- und Unwahrheiten“, gab der just vor einem Jahr am selben Ort vorgestellte Bundestrainer Einblicke in sein Seelenleben.
Da kam das Spaßspiel zwischen der Crème de la Crème der Bundesliga und der DHB-Auswahl gerade recht. Eine dringend benötigte Verschnaufpause in der hitzigen Diskussion der Causa Prokop, auch wenn sich natürlich vor und nach der 19. Auflage des Gipfeltreffens alles um Befinden und Befindlichkeiten drehte. „Ich hoffe nicht, dass aufgrund des medialen Drucks vorgefertigte Meinungen im DHB-Präsidium herrschen.“
Burgfrieden. So lautete am Freitag die Devise seitens der Vertreter der HBL und des DHB. Darauf hatten sich die Granden bei der Präsidiumssitzung geeinigt, wo die Aufarbeitung des EM-Dämpfers begann. Mit Prokop und seinem Co-Trainer Alexander Haase. „Das war ein Wunsch von beiden Seiten“, betonte Uwe Schwenker, Präsident der HBL. Was zeigt, dass der Coach sich weder seinem Schicksal ergeben hat noch verbrannt ist. Prokop sagte nach dem Spiel in den Katakomben der Arena zur verpatzten EM: "In der Vorrunde habe ich die Mannschaft auf den Punkt und mit viel Motivation in der Auszeit gecoacht. Mit einer wachsenden Unzufriedenheit war ich auch selbst unzufrieden. In der Hauptrunde habe ich dann meine Unzufriedenheit an die Mannschaft weitergegeben, das war mit Sicherheit ein Fehler und eine Erfahrung." Und zu seiner Zukunft: "Ich habe zu hundert Prozent Lust weiterzumachen. Mit den Spielern gab es heute schon einige Gespräche."
„Wir haben das Abschneiden bei der EM besprochen, die Stimmung war dabei ganz normal. Wir brauchen jetzt Ruhe für die Auswertung“, beschrieb DHB-Präsident Andreas Michelmann das Vorspiel, was sich zum Hauptspiel entwickeln sollte. Sein Vize Bob Hanning, der Prokop in Leipzig einst loseiste, wollte nicht viel zum Thema beitragen. „Ich habe bis zum jetzigen Zeitpunkt alles gesagt, was zu sagen war. Jetzt sind andere dran.“ Spieler Julius Kühn aus Melsungen meinte: „Der Applaus war schön, das hätte nach der EM auch anders kommen können. Das Tischtuch zum Trainer ist keinesfalls zerschnitten. Jeder darf Fehler machen, wir sind alle keine Roboter.“ Sein Vereinskollege Finn Lemke: „Christian ist ein sehr, sehr guter Trainer. Er hat eine hohe fachliche Kompetenz. Darauf können wir aufbauen.“ Auch der Sportdirektor des Deutschen Handball-Bundes, Axel Kromer, ließ sich nicht viel entlocken. „Wir besprechen zum Thema Bundestrainer alles intern. Es wäre mir Recht, wenn das alle so machen würden. Für eine Entscheidung nehmen wir uns die Zeit, die wir dafür brauchen.“
Balsam war für Prokop jedenfalls der Empfang, der ihm in der ausverkauften Arena gemacht wurde. Das dankte der Ex-DHfK-Trainer, der die Leipziger 2015 in die Bundesliga führte und dort etablierte, beim Einlauf mit einem kleinen Applaus. Danach übernahm wieder der Arbeitsmodus. Selbst wenn es auf der Platte nur um Unterhaltung ging. Tippelschritte links, Tippelschritt rechts. Der unruhige Blick, die suchenden Augen. Alles wie gehabt. Den Clown an der Linie mimen konnte und wollte Prokop noch nie. Auch nicht ein übersteigertes Wir-Gefühl zelebrieren. Bei den Leipzigern hatte der Coach übrigens auch nicht jeden gebusselt.
Einzig auffällig: Die Kladde, die eigentlich sonst an seiner Hand klebt, fehlte. Umso öfter huschte in den Auszeiten das Lächeln über das Gesicht des 39-Jährigen. Ein bisschen Spaß musste ja auch sein, bei all der Ernsthaftigkeit dieser Tage.
Das Match, bei dem wilde Spielkombination im Dauerlauf gegen zaghafte Abwehrreihen zelebriert wurde und der Videobeweis vehement von Silvio Heinevetter gefordert wurde, endete 39:43 (22:21).
All Stars: Andersson, Appelgren, Buric – Wanne, Sigurdsson, Mortensen, Mensah Larsen, Damgaard, Bilyk, Nilsson, Schmid, Olsen, Mappes, Petersson, Glandorf, Jaanimaa, Ekberg, Björnsen, Lindberg, Toft Hansen, Theuerkauf, Kozina. Trainer: Jacobsen, Wandschneider.
Deutschland: Heinevetter, Wolff – Gensheimer, Lemke, Reichmann, Wiede, Pekeler, Weinhold, Weber, Michalczik, Fäth, Groetzki, Häfner, Janke, Roscheck, Dahmke, Kühn, Kohlbacher. Trainer: Prokop.
Von Matthias Roth und Alexander Bley