Petition: Leipziger Mutter fordert Pflicht von Online-Stundenplänen an Schulen

Magda ist zwölf, Kolja fünfzehn. Zwei Geschwister, die vorerst weiter zu Hause rumsitzen. Ihr siebenjähriger Bruder Ilja sieht seine Freunde und Lehrer hingegen neuerdings wieder: Seit dieser Woche sind die sächsischen Grundschulen zurück im Präsenzbetrieb. Isabel Geyer ist die Mutter der drei Kinder. Freut sie sich über die Öffnung? „Ich bin hin und her gerissen“, sagt die 42-Jährige. Klar, für Ilja sei das erstmal gut. Aber wie lange? „Rin in die Kartoffeln, raus aus den Kartoffeln“, schimpft Geyer. „Niemand weiß, wie sich der Schulbesuch auf das Infektionsgeschehen auswirkt.“ Werden Corona-Mutationen in den Klassenzimmern ihren Nährboden finden? „Wenn die ersten Klassen in Quarantäne müssen, wird es für Eltern und Kinder schlimmer als im Lockdown werden.“ Noch etwas ärgert sie: „Die Grundschullehrer können sich weiter vor dem digitalen Unterricht drücken.“ Die Leipzigerin sammelt seit Mitte Januar Unterschriften für eine Petition, mit der sie die sächsische Staatsregierung zu einem Politikwechsel bewegen will. Weg vom Fokus auf Präsenzunterricht, sobald er sich halbwegs rechtfertigen lässt. Hin zu einem klaren Digital-Fahrplan während der Pandemie. Etwas mehr als 4000 Eltern aus Sachsen haben bislang ihre Namen unter die Forderung nach einem „ einheitlichen Konzept für den Digitalunterricht an sächsischen Schulen “ gesetzt. Bis April sind 12.000 nötig, damit die Betreiber der Plattform „Open Petition“ im Landtag eine Stellungnahme einfordern. Schulleiter zu Online-Stundenplan zwingen: Das sächsische Kultusministerium sieht sich indes längst auf Kurs. Auf Drängen von Eltern und Schülern habe man „die Standards für das häusliche Lernen geschärft und konkretisiert“, sagt Sprecherin Susann Meerheim. Mittlerweile müssen die Schulen die „Kommunikation in der Schulgemeinschaft in Eigenverantwortung gewährleisten“, heißt es in einer Anweisung des Ministeriums. Auch aus der Ferne sollen die Lehrer das Lernen anleiten und strukturieren. Wie genau sie das bewerkstelligen, sei aber den Pädagogen überlassen, schränkt Meerheim ein: „Die Lehrer arbeiten entsprechend des Lehrplans. Darüber hinaus sind sie in der Unterrichtsgestaltung relativ frei – im normalen Unterricht wie in Zeiten des häuslichen Lernens.“ Isabel Geyer interpretiert diese Freiheit als Wegducken. Die Politik reiche die Verantwortung einfach an die Lehrerinnen und Lehrer weiter: „In der Theorie klingt das alles durchdacht, aber in der Praxis macht es jeder anders.“ Bei ihren Kindern erlebe sie zwar auch sehr engagierte Pädagogen, doch diese seien keineswegs die Regel. Zumal das Wechselmodell, in dem seit einigen Wochen Abschlussklassen unterrichtet werden, für die Lehrer eine „enorme Mehrbelastung“ bedeute, die auf Kosten der Zeit für jüngere Schüler gehe. „Am Ende sind alle überfordert, und keiner nimmt es in die Hand, was zu ändern.“ Ihr Appell: „Die Schulleiter müssen gezwungen werden, Online-Stundenpläne zu erstellen.“ Damit Eltern und Schüler genau wissen: „Wann hat jeder Fachlehrer Zeit, sich um seine Klasse zu kümmern?“ Schlechtes Gewissen, wenn doch wieder der Fernseher läuft: Eine verlässliche Struktur, die über das Verteilen und Einsammeln von Aufgaben hinausgeht, gehört für Geyer zum Erziehungsauftrag der Schulen. Ein fester Video-Termin am Anfang und Ende einer Schulwoche sei das Mindeste, noch besser solle jedes Fach wenigstens einmal pro Woche dran sein. Sie selbst leitet in Leipzig einen Kindergarten und ist tagsüber außer Haus. Zwar schauen in der Patchwork-Familie sogar zwei Väter vorbei, wann immer sie können, erzählt sie. „Trotzdem sitzen die zwei Großen oft allein in der Wohnung.“ Regelmäßiger Online-Unterricht würde für Magda und Kolja den Tag einteilen, zudem erhielten sie Gesprächsstoff mit ihren Freunden, hofft sie. Kurz: ein Sozialleben. Die Last, die viele Eltern auf ihren Schultern spüren, bestehe ja nicht allein aus dem Spagat zwischen Arbeit und Homeschooling. „Es ist auch das schlechte Gewissen, wenn eben doch wieder der Fernseher läuft oder die Kinder auf dem Handy daddeln.“ Die Petition setzt sich aus einem langen Haupttext, einer wöchentlichen Wasserstandsmeldung und bereits mehr als 1500 Kommentaren von Leidensgenossen zusammen. Pro Tag stecke sie eine gute Stunde, am Wochenende ungefähr acht Stunden in das Projekt, sagt Geyer. Doch ihr Ziel sei eigentlich nur: „Dass wir mit dem Digitalunterricht in Sachsen einfach mal ernsthaft anfangen.“ So wie in ihrer Kita: „Wir haben im zweiten Lockdown mehr Video-Konferenzen angeboten, als meine Schulkinder hatten.“ Mit Fehlern, klar, „aber aus Fehlern lernen wir – und das muss auch an den Schulen passieren.“ Die Probleme türmen sich auf wie eine Wand: Ministeriumssprecherin Meerheim entgegnet, dass 70 Prozent der Lehrerinnen und Lehrer an einem „ LernSax “-Seminar teilgenommen hätten. Die Schulen digital auszurüsten, sei nun mal ein laufender Prozess. „Wir sind hier schon ein gutes Stück weitergekommen“, sagt sie und nennt die neue Plattform „ Schullogin “ als Beispiel. Auch wenn häusliche Lernzeit gerade bei Grundschülern auf Dauer keine Alternative sei: Der „ Digitalpakt für Schulen “ stellt 250 Millionen Euro bereit. Plus 28 Millionen Euro für Schüler-Laptops: 39.000 Geräte stehen laut Meerheim zur Verfügung. Doch Geyer hat beobachtet, „dass die Schulen viele Computer nicht an die Schüler weitergeben, solange klare Regelungen fehlen“. Kultusminister Christian Piwarz solle sich „bitteschön angucken, wie es tatsächlich läuft und nicht hinter Allgemeinverfügungen verstecken“, fordert sie. Wenn die Unterschriften beisammen sind, möchte sie die Petition dem CDU-Politiker am liebsten persönlich überreichen und mit ihm sprechen. „Das Schuljahr muss nicht verschenkt sein, wenn wir uns jetzt digital aufstellen“, sagt sie kämpferisch – und fügt etwas leiser an: „Selbst wenn die Probleme so vielfältig und groß sind, dass sie auch für mich wie eine Wand wirken, vor der ich mich frage: Wie kommen wir da nur drüber?“ Petition: www.openpetition.de/petition/online/einheitliches-konzept-fuer-den-digitalen-unterricht-an-saechsischen-schulen Von Mathias Wöbking