Weihnachten im Lockdown: Bleiben Leipzigs Weihnachtsmänner dieses Jahr im Homeoffice?

Jahr für Jahr ziehen dutzende Weihnachtsmänner, -Frauen und Engel durch die Stadt. Ihre Mission ist es, Familien und vor allem Kindern die Weihnachtszeit zu versüßen. Ob auf dem Weihnachtsmarkt, im Kaufhaus oder für zu Hause, eines haben sie alle gemein: Man kann sie buchen. Doch wie sieht das im Lockdown aus? Macht das Corona-Virus dem professionellen Weihnachtszauber einen Strich durch die Rechnung? „Santa arbeitet dieses Jahr im Homeoffice“, sagt Martin Wiedemann von Kinderevents. Jedes Jahr sind in ganz Deutschland Weihnachtsmänner für die Agentur im Einsatz – 2020 eben digital. Für 15 bis 20 Euro gibt es eine persönliche Videobotschaft vom Weihnachtsmann, für 35 Euro einen Live-Videoanruf zu Heiligabend. Ein extra dafür gestaltetes Video-Set, etwa mit gemütlichem Sessel vorm Kamin und allerlei Dekoration, sorgt für das richtige Ambiente. Ans Aufgeben denkt offensichtlich keiner der Befragten. Darum können Familien auch dieses Jahr einen Weihnachtsmann buchen. Doch ob Hobby oder Gewerbe, aufgrund der Pandemie haben alle Anbieter hohe Umsatzeinbußen, vor allem da die großen Aufträge, wie Firmenfeiern, wegfallen. Martin Wiedemann von Kinderevents berichtet, dass er inzwischen alle Büroangestellten entlassen musste: Unser Team ist von zehn auf zwei Personen zusammengeschrumpft. Die Weihnachtsmann-Chats decken gerade die laufenden Kosten. Jan Mitja Biehl von Blank&Biehl konnte bisher die meisten seiner Mitarbeiter halten. Diese sind zum Großteil in Kurzarbeit. Für das gesamte Jahr ist ein Umsatzeinbruch von 60 Prozent bei seiner Event-Agentur zu verzeichnen. Andreas Reuße aus Leipzig und drei weitere Freunde von ihm besuchten als Weihnachtsmänner verkleidet zu Heiligabend bisher um die 40 Familien. Dieses Jahr gibt es nur halb so viele Buchungen. Der Weihnachtsmann zoomt dieses Jahr: „Wir haben diese Chats über Zoom schon getestet. Ein Elfen-Host begrüßt die Familien, und in einem privaten Chatroom wartet dann der Weihnachtsmann“, erklärt Wiedemann mit fast kindlicher Freude. Auch andere Familienmitglieder können sich in den Chat einwählen. Leipziger können einen Santa aus der Region buchen, für eine Bescherung auf sächsisch. Der Weihnachtsmannpersonalservice Blank&Biehl lässt sich dagegen durch Covid-19 nicht von persönlichen Weihnachtsmannbesuchen abbringen. „Wir haben ein genehmigtes Hygienekonzept. Auch wenn es komisch klingt, wir betreiben ein Gewerbe und es ist der Job des Weihnachtsmannes, die Familien zu besuchen“, sagt einer der Geschäftsführer, Jan Mitja Biehl. Bescherung mit FFP2-Maske: Dieses Jahr kämen zu dem Weihnachtsmann-Outfit eine FFP2-Maske und Handschuhe hinzu. „Die Bescherung findet, wenn möglich, im Vorgarten statt. Wie beim DHL-Boten. Der bringt doch auch Päckchen vorbei“, scherzt Biehl. Ein Besuch von maximal 30 Minuten kostet 169 Euro. Die Agentur greift auf eine bundesweite Kartei von 38.000 Santas, Engeln und Elfen zurück. Auch Leipziger Weihnachtsmänner sind dabei. Wer lieber einen Weihnachtsmann über einen Anbieter aus der Region buchen möchte, wird leider nicht fündig. Vor einigen Jahren übernahm diese Aufgabe noch die Leipziger Agentur für Arbeit und verhalf etwa Langzeitarbeitslosen zum alljährlichen Job mit roter Kutte und Rauschebart. Doch „2010 haben wir die Vermittlung eingestellt“, erklärt Sprecher Hermann Leistner. Keine Weihnachtsmann-Vermittlung aus Leipzig: Danach habe es noch bis 2014 eine Weihnachtsmannbörse aus Grünau gegeben, die „Weihnachtsmann-Vermittlung-Leipzig“. Heute ist die einzige regionale Alternative zu den großen Agenturen Ebay-Kleinanzeigen. Dort bieten Hobby-Weihnachtsmänner gegen Aufwandsentschädigung ihre Dienste per Annonce an. Auch Andreas Reuße aus dem Leipziger Osten ist dort zu finden. „Es gibt niemanden sonst, der so eine Macke hat“, äußert er über sich selbst. Er springe wirklich in eine andere Rolle, wird zum „heiligen Zauber“, wie er sagt. Selbst beim Gespräch mit der LVZ wird dies schnell deutlich, als er sich zunächst vergewissert, dass nicht etwa die „Reporterin vom Grinch“ in der Leitung sei. Er ist ein Mann vom Fach, der mit Santas aus der ganzen Welt vernetzt ist. Er glaubt zu verstehen, warum die lokalen Weihnachtsmannbörsen von den großen Agenturen geschluckt wurden: „Die Agenturen haben ganz andere Mittel, um sie auszustatten. Ein Langzeitarbeitsloser kann sich nicht unbedingt ein hochwertiges Kostüm leisten. Es gibt eine große Erwartungshaltung der Kinder an den Weihnachtsmann, und der Zauber wird nach dem Equipment definiert“. Bart und Haare gehen vor Weihnachten zum Friseur: Für seine Authentizität scheut er keine Kosten und Mühen. Seinen bordeauxroten Samtmantel hat er aus der Ukraine kommen lassen, die weißen Locken seiner Perücke sind aus Echthaar und werden jedes Jahr vorm Heiligen Abend beim Friseur gewaschen und gestylt. „Mein Outfit ist um die 600 Euro wert“, sagt er. 50 Euro nimmt er pro Auftritt plus Fahrgeld. Am 24. Dezember besucht er um die sechs Familien. Dieses Jahr eben mit Maske. Doch warum verzichtet ein Mann freiwillig auf das frohe Fest im eigenen Kreis? Was treibt Santa Reuße zu so einem Hobby? „Ich bin Teil eines Märchens und bringe Kinderaugen zum leuchten“, ist seine Antwort. Was sonst? Von Pauline Szyltowski