Blickpunkt Connewitz: Ein Besuch im Wildpark Leipzig

Sobald sie den Elektrokarren hören, kommen die Tiere angerannt: Andreas Brehme ist bei den Wildschweinen im Wildpark Connewitz sehr beliebt. Er ist der, der die drei Keiler, zehn Bachen und 17 Frischlinge Tag für Tag füttert. „Ich bin kein gelernter Tierpfleger“, sagt der ausgebildete Forstwirt bescheiden. Der 61-Jährige arbeitet seit 2006 im Wildpark an der Koburger Straße – der Job macht ihm viel Spaß, obwohl die Hälfte seiner Tätigkeit aus Reinigungsarbeiten besteht. Die Gehege in Connewitz sind beliebt, für Anwohner und Ausflügler eine grüne Oase mitten im Auwald, um die Seele baumeln zu lassen. Spielplatz, Wildparkgaststätte, Blockhaus, die privat geführte Haustierfarm und der Wald bieten Erholung und Entspannung. Und natürlich Wissen über einheimische Tiere, die dort leben oder einst lebten. Der Wildpark ist kein Streichelzoo. Arbeitsschutz wird hier auch bei den Pflegern großgeschrieben. „Die Tiere kennen uns schon“, erzählt Andreas Brehme. „Es bleiben aber Wildtiere, die nicht zu unterschätzen sind. Besonders wenn die Frischlinge da sind. Deshalb ist das Betreten der Gehege auch für uns verboten.“ Ansonsten seien die Allesfresser unproblematisch – obgleich auch mal der eine oder andere Keiler separiert werden muss. Brehme kann die Tiere, die keine Namen haben, selbstverständlich unterscheiden. Die Wildschweine sind beliebt, haben allein elf Tierpaten (von insgesamt 37). Derzeit herrscht für die Wildschweine durch die afrikanische Schweinepest eine besondere Bedrohung. „Deshalb ist es besonders wichtig, dass die Besucher sich an das strikte Fütterungsverbot halten“, sagt Brehme und scheut sich nicht davor, auch mal einen harschen Ton anzuschlagen. Denn die Krankheit kann tödlich für die Schweine verlaufen. „Wer füttert, muss damit rechnen, dass er die Schweine umbringt.“ Seine Lieblingstiere waren allerdings die beiden Elche, die inzwischen an Altersschwäche gestorben sind. Geplant ist zwar, neue zu besorgen. Doch das ist gar nicht so einfach. Hoffen auf neue „Bambis“: Der Wildpark beherbergt neben den Wildschweinen viele einheimische Tierarten wie Rot-, Reh-, Dam-, Muffel- sowie Schwarzwild, Luchs, Otter, Nerz, Wisent, Fuchs und Waschbär. Es gibt leider nur noch einen Weißwedelhirsch, bekannt und bei den Besuchern beliebt als „Bambi“, sowie zwei weibliche Tiere. „Ich hoffe, dass wir in den nächsten Wochen eine Gruppe von einem privaten Züchter bekommen“, sagt Stadtförster Andreas Sickert, der den Wildpark leitet. Ein Erlebnispfad durch das Gehege: Seine Ursprünge hat der Wildpark im Jahr 1904. Damals schenkte der Connewitzer Mühlenbesitzer Jacob der Stadt ein kleines Damwildgehege mit sieben Tieren. Das befand sich aber im südlichen Auenwald, unweit der Hakenbrücke. Weil die Tiere dort durch regelmäßig auftretendes Hochwasser gefährdet waren, wurden die Gehege an die jetzige Stelle verlegt. Am 1. Mai 1912 öffnete eine Schutzhütte mit Schankraum, zehn Jahre später eine Wildparkgaststätte – etwa im Bereich des heutigen Wirtschaftshofes. Im Zweiten Weltkrieg wurde das Areal völlig zerstört. Es dauerte bis 1972, bis die damaligen Stadtverordneten beschlossen, auf dem Areal der ehemaligen Tiergehege einen neuen Wildpark zu schaffen. Zunächst öffnete der südliche Gehegeteil, die gesamte Anlage war im Oktober 1979 fertig. Mittlerweile gibt es auch einen Erlebnispfad durch das Rot- und Damwildgehege. „Es ist eine Chance, die Tiere mal ohne Barriere zu erleben“, sagt Wildparkchef Sickert. An Zucht von Wisenten und Nerzen beteiligt: Besonders am Herzen liegen ihm die Wisente, die in zwei großen Gehegen gehalten werden. Mit ihnen ist der Wildpark am Erhaltungszuchtprogramm beteiligt. Deshalb gebe es immer eine Gruppe mit einem Bullen, der vier seiner Damen decken kann, sowie mit Kälbern. „Wir haben auch vor, Tiere zur Auswilderung abzugeben. Wahrscheinlich nach Rumänien oder Aserbaidschan“, erklärt der 62-Jährige. Hin und wieder wird aber auch mal eins, das für die Zucht nicht geeignet ist, geschlachtet. Hintergrund: Die hiesigen Wisente stammen alle von zwölf Tieren ab, mit denen in den 1920er-Jahren in Polen das Zuchtprogramm aufgelegt wurde. Da muss genau geschaut werden, dass das Erbgut stimmt. Auch der europäische Nerz wird im Connewitzer Park gezüchtet. Hier tragen Weibchen ihre Jungen aus. Werden sie groß und aggressiv, geht es zurück ans Zuchtzentrum. „Teilweise werden sie dann ebenfalls in verschiedenen Ländern ausgewildert.“ Ziel ist die grundhafte Sanierung der Gehege: Der Wildpark, der seit 1998 der Abteilung Stadtforsten des Amtes für Stadtgrün und Gewässer angegliedert ist, hat ein Jahresbudget von 300 000 Euro. Unterstützung bekommt er vom Förderverein, der eifrig Spenden sammelt und auch Führungen organisiert. Die Entwicklung des Parkes, der derzeit neben Sickert drei Mitarbeiter hat, ist im Großen und Ganzen abgeschlossen. Notwendig sei allerdings, die Zahl der Tierpfleger aufzustocken. Rein rechnerisch wären fünf notwendig. Ab Oktober kommt nun einer. „Unser vordergründiges Ziel ist es, viele Bereiche grundhaft zu sanieren“, erklärt Sickert. Dazu sollen noch Informationstafeln aufgestellt werden – zur Bewirtschaftung des Waldes oder zum Natur- und Artenschutz. Zuletzt wurde viel getan, um die Gehege sicherer zu machen, damit die Tiere nicht ausbrechen können. „Wir wollen aber auch wie der Zoo Artenschutzprojekte machen“, blickt Sickert voraus. 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Kastanien sind als Futter aber nicht so gut geeignet – es werden nur Eicheln angenommen – allerdings kann der Park nichts dafür zahlen. Wer einen mit der Flasche aufgezogenen Igel oder ein Rehkitz im Karton abgeben will, hat schlechte Karten. „Wir nehmen keine gefundenen Tiere auf. Die Leute tun diesen auch keinen Gefallen. Die Rehe werden unter Stress gesetzt und verenden oft.“ Eine Ausnahme sind in Not geratene Tiere, die dem Bundesnaturschutzgesetz unterliegen, für sie ist der Wildpark Auffangstation. Der Eintritt im Wildpark an der Koburger Straße ist frei. Von Mathias Orbeck