Elternzeit in der Corona-Pandemie: „Ich bin traurig und fühle mich einsam“

Schwangere malen sich ihre Elternzeit meist rosig aus. Mutter und Baby lernen sich ganz in Ruhe kennen, unternehmen Spaziergänge, besuchen Kurse in Babyschwimmen und -massage, treffen andere Mütter zum gemütlichen Frühstück und Austausch über diese spannende Zeit. Doch die Corona-Pandemie hat Müttern, die im vergangenen Jahr entbunden haben, einen fetten Strich durch ihre Planung gemacht. Kurse wurden gestrichen, Kontakte sollen bis heute eingeschränkt werden, Cafés und Restaurants sind dicht, an Reisen ist nur bedingt zu denken. Das macht vielen von ihnen zu schaffen. So auch Rebecca Jost. Isolation und Nachsorge per Videochat: „Ich bin extra wieder nach Leipzig gezogen, weil es hier mehr Angebote für Mutter und Kind gibt und ich hier noch Leute aus dem Studium kenne“, sagt die 36-Jährige. Sie kommt gebürtig aus Merseburg, hat Sohn Finley auch dort entbunden. Das war im März. Im Sommer ging es dann nach Leipzig. Und das erst einmal alleine. Denn Rebecca Josts Mann Scott ist Amerikaner. Zum Geburtstermin war er zwar in Deutschland, durfte aber lediglich nach der Geburt kurz zu seiner Frau. Für Rebecca Jost folgten nach einem Kaiserschnitt vier Tage in Isolation. Besuch durfte sie keinen empfangen. Als sie dann nach Hause kam – das nächste Problem: Ihre Hebamme musste in Quarantäne. Ersatz gab es keinen. Stattdessen: Videochat. „Finley hatte leicht gelbliche Haut. Die Werte wurden zwar im Krankenhaus kontrolliert, aber ich habe mir extreme Sorgen gemacht“, sagt sie. Angst vor Quarantäne in Einraumwohnung: Was für die Diplom-Soziologin noch erschwerend hinzukommt: Ihr Verlobter Scott kann ihr nicht zur Seite stehen. Denn der ist in den USA und die Einreisebestimmungen sind mehr als schwierig. Erst zweimal hat er seinen Sohn sehen können. „Scott verpasst die ersten Lebensmonate komplett“, sagt Rebecca Jost, „damit geht es uns nicht gut.“ Da sie und Finley zusammen mit zwei Hunden in einer Einraumwohnung leben, gehen sie so oft raus wie möglich. Spazieren gehen, hier und da mal jemanden treffen – so in etwa verläuft Rebecca Josts Elternzeit. „Ich möchte uns nicht isolieren und vereinsamen, aber das ist eben auch potenziell gefährlich“, sagt sie. Die Vorstellung, mit Kleinkind in einer Einraumwohnung in Quarantäne verbringen zu müssen, macht ihr Angst. Andere Wohnungen hat sie seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie nicht betreten. „In ruhigen Phasen fühle ich mich einsam.“ Ihre Mutter und ihre Tante leben zwar nicht weit entfernt, sind aber mit Besuchen in der aktuellen Lage eher zurückhaltend. Lesen Sie auch Wie sich eine Leipziger Sozialarbeiterin im Lockdown für ein benachteiligtes Kind einsetzt Wie eine zwölfjährige Sächsin mit dem Homeschooling abrechnet Keine Elternbeiträge für Leipziger Horte und Kitas im Lockdown „Ich bin unausgeglichen und traurig“: „Ich freue mich extrem über die Elternzeit mit dem Kleinen. Dennoch verpasse ich einiges und das ist schade. Auch der Erfahrungsaustausch kommt extrem zu kurz und das erzeugt viel Unsicherheit.“ Sie versuche zwar, nach vorne zu blicken, sagt Rebecca Jost, das funktioniere aber nicht jeden Tag. „Ich bin unausgeglichen und traurig, weine auch manchmal“, sagt sie. Gleichzeitig schleicht sich ein leichtes Gefühl der Überforderung ein. Denn aus der Ferne kann Partner Scott nicht viel außer unterstützenden Worten beitragen. Alleinerziehend in der Pandemie – das sei doppelt hart. Geplant war, dass Rebecca Jost und Sohn Finley ebenfalls in die USA ziehen. Doch die Pandemie hat auch die Arbeit bei den Behörden stillstehen lassen. „Es ist aktuell nicht absehbar, wann ich hin kann“, sagt die 36-Jährige. Eine Belastung für die junge Familie. Von Patricia Liebling