Kolumne Vatertag: Wenn Kinder anfangen, über den Tod nachzudenken

Ich bin eher der pragmatische Typ. Nächtelang Grübeln ist nicht mein Ding, die Frage nach dem Sinn stelle ich mir schon lange nicht mehr. Unser großes Kind jedoch entdeckt seit neuestem die Freuden der Philosophie. „Mein Glück gehört mir ganz allein“, rief sie neulich, oder, einige Wochen zuvor: „Mein Bauch ist immer bei mir. Mein Bauch ist mein bester Freund. Mein Bauch ist sogar noch da, wenn ich gestorben bin.“ Das Kind denkt nach, also ist es. Sehr gut. Gehen wir ein wenig tiefer rein in die Beschäftigung mit dem Tod. Sie sagt mittlerweile sterben, nicht mehr stöben oder steben. Dadurch wirkt sie gleich viel erwachsener. Ich muss sie ernstnehmen. Gut, manchmal muss ich an mich halten, etwa wenn sie wie kürzlich kurz vor dem Einschlafen sagt: „Wenn es auf der Welt Piraten gibt, dann will ich lieber sterben.“ Aber: Wer über das Sterben phonetisch und grammatikalisch korrekt sprechen kann, verdient Beachtung. Lesen Sie auch Der Schlüssel zu Weihnachten ist Mathematik Ein Vater zwischen alten neuen Sorgen und dem großen Glück Schniefen, schnupfen, stöhnen – das erste Krankheits-Pingpong des Jahres Wenn sie von sich aus vom Tod spricht, stockt mir kurz der Atem. Warum dieses Thema, warum genau jetzt? Hat sie sich an den verstorbenen Uropa erinnert, an die verstorbene Oma? Hat Corona irgendwas damit zu tun? Aber natürlich verraten solche Überlegungen viel mehr über mich als über meine Tochter. Sie geht das Thema viel entspannter an, adressiert den Tod von ganz verschiedenen Seiten, gibt nicht nur traurigen Gefühlen Raum. Ich habe den Eindruck, dass der kindliche Umgang mit dem Sterben der viel angemessenere ist. Wir Erwachsenen machen uns Sorgen, vor Schmerzen, vor Krankheit, vor dem, was wir unseren Angehörigen hinterlassen. Kinder sind da viel cooler. Ich mag diesen pragmatischen Zugang zum Thema Tod sehr gern. „Wenn ich sterbe, dann lass ich mir kurz davor was einfallen“, erklärte die Tochter neulich. „Da geh ich nämlich ins Gefängnis, das ist viel besser. Da brauch ich kein Grab!“ Manchmal verneige ich mich innerlich vor so viel Lässigkeit. Sie hat mir auch verraten, wie sie das schafft. „Mein Gehirn reagiert einfach darauf, was ich sage!“ Stimmt. Eigentlich ganz einfach. Von Christopher Resch