Leipziger Hypnosecoachin: „Viele Kinder und Jugendliche stehen wegen Corona unter Druck und Stress“

Der Verlust der Alltagsstruktur, Zukunftsängste, angespannte Eltern oder erkrankte Familienmitglieder: Die Corona-Pandemie stellt auch Kinder und Jugendliche vor eine seelische Belastungsprobe. LVZ Familie hat mit der Leipziger Hypnosecoachin Kristina Gerlach gesprochen, wie der Trancezustand bei der Bewältigung des Corona-Stresses helfen kann. Frau Gerlach, was macht Corona mental und psychisch mit Kindern und Jugendlichen? Ich stelle fest, dass sich in der Corona-Pandemie eine große Unsicherheit breit macht und viele unter Stress und Druck stehen durch den Verlust ihrer Tagesstruktur und Inhalte. Menschen sind soziale Wesen. Für Teens sind Sozialkontakte das Lebenselixier. Sie lösen Glücksgefühle und Sicherheit aus. Auch bei jüngeren Kindern zeigen sich Stresssymptome, weil die Tagesstruktur wegbricht. Wie kann sich dieser Stress bei ihnen bemerkbar machen? Sehr unterschiedlich. Manche haben Ängste wie Prüfungsängste und Zukunftsängste. Viele haben auch Langeweile und Frust und sind schlechter konzentriert. Auch können Gereiztheit oder Kopf- und Bauchschmerzen auftreten, die man als solche jedoch oftmals nicht in Verbindung mit ihren inneren Nöten bringt. Sie sind raus aus ihrem normalen Setting und müssen sich ständig wieder an neue Umstände anpassen. Das kann Schwierigkeiten auslösen. Das Wohlbefinden gerät aus dem Gleichgewicht, nicht zuletzt durch die fehlende körperliche Bewegung. Wut und Aggression können entstehen. Den Fokus neu auszurichten, das fällt vielen Kindern und Jugendlichen sehr schwer. Gerade in diesem Alter ist es für die Entwicklung besonders wichtig, Spielkameraden zu haben, sich auszutauschen, zu träumen. Sie brauchen das Freiheitsgefühl, müssen sich ausprobieren können. Viele von ihnen leiden unter diesen Verlusten. Darunter leiden dann auch die Eltern und das ganze Familiensystem. Kristina Gerlach (48) ist Hypnosecoachin aus Leipzig und professionelle Musikerin. In ihrer Laufbahn als Musikerin hatte sie immer wieder mit Lampenfieber, Auftrittsangst und Leistungsdruck zu kämpfen. Die Hypnose habe ihr jedoch Wege daraus aufgezeigt. Seit 2017 ist die Mutter von drei Kindern zertifizierte Hypnosecoachin. Wie kann Hypnose nun dabei helfen, den Stress zu verarbeiten? Hypnose ist ein Entspannungsverfahren. Sie wird eingesetzt, um Stress zu reduzieren. Es können sich Blockaden sowohl auf seelischer als auch körperlicher Ebene lösen. Man kann aus einer anderen Perspektive auf die Situation und die Dinge schauen. Was genau ist der Stress? Ist es Langeweile oder Einsamkeit? Zukunftsangst? Perspektivlosigkeit oder Sorgen? Teilweise nehmen Kinder das auch von den Eltern auf. Hypnose kann dabei helfen, die Gefühle neu einzusortieren. Was ist Hypnose eigentlich? Eine Technik, durch die man einen besonderen Bewusstseinszustand erreicht. Der Körper ist entspannt, der Geist hellwach und konzentriert. Ziel ist es, geistige und muskuläre Blockaden zu lösen. Hypnose ist eine Methode, durch die man aufnahmefähiger wird und das Unterbewusstsein direkt ansprechen kann. Außerdem arbeite ich auch mit einer Visualisierungstechnik: Die Klienten wandeln unangenehme Gefühle in Objekte um und können diese entfernen und den neuen Freiraum mit positiven Gefühlen füllen. Oftmals geht es dabei sehr lustig zu, mit viel Humor und Leichtigkeit. Wie fühlt sich das an? Jeder erlebt das unterschiedlich. Für die meisten ist es sehr angenehm. Es löst sich dabei oft etwas und Ballast wird abgeworfen. Es wird gelacht und geweint, es ist alles dabei. Was passiert mit Körper und Geist in diesem Zustand? Einiges. Der Körper entspannt, der Herzschlag wird ruhiger, der Blutdruck geht etwas runter, die Muskulatur entspannt. Der Geist hingegen ist sehr wach und konzentriert. Es ist aber kein Schlafzustand, Kinder haben oftmals dabei die Augen offen. Im Grunde ist es ein ähnlicher Zustand, wie tief in eine Geschichte versunken zu sein. Sind Kinder und Jugendliche denn überhaupt empfänglich für eine Hypnose? Ja, Kinder haben eine große Fantasie, sie sind kreativ, können sich alles Mögliche vorstellen und ausprobieren. Das Gehirn kann im Trancezustand nicht zwischen Fantasie und Realität unterscheiden. Die schönen Gefühle, die sie dabei erleben, wie beispielsweise fliegen zu können oder das Gefühl von Freiheit, können sie dann in den Alltag übertragen. Viele Menschen fürchten, während einer Hypnose nicht Herr der Lage zu sein. Meine Hypnosesitzungen sind nicht vergleichbar mit Show-Hypnosen. Keiner ist willenlos. Jeder kann jederzeit abbrechen oder zwischendurch mal zur Toilette gehen. Ich kann nichts machen, was der Klient nicht möchte. Funktioniert sie denn bei jedem? Nein. Voraussetzung, dass Hypnose funktioniert, ist, dass man sich aufeinander einlässt. Natürlich müssen Klient und Hypnotiseur sich vertrauen. Beide müssen sich wohlfühlen. Sind die Eltern bei den Sitzungen dabei? Die Eltern sind beim Vorgespräch immer dabei. Danach schicke ich sie in der Regel in einen anderen Raum, da die Kinder dann entspannter und freier sind. Kinder sind auch sehr empfänglich für die Bedürfnisse ihrer Eltern und können eher loslassen ohne einen Beobachter im Raum. Gibt es ein Mindestalter für die Hypnose? Nein. Es gibt nur Richtwerte. Aus meiner Erfahrung heraus bin ich zu dem Entschluss gekommen, mit Kindern ab fünf Jahren zu arbeiten. Wie viele Sitzungen führen Sie mit ihren Klienten durch? Im Durchschnitt werden zwei bis vier Sitzungen benötigt. Letzten Endes ist das aber immer individuell. Von Bastian Schröder