Oma und Opa finden: Hilfe für Familien in Leipzig

Wenn die zwei Leih-Omas von ihren Wunschenkeln sprechen, beginnen die Augen zu leuchten, entspannen sich die Gesichtszüge und ein magisches Lächeln umspielt ihre Mundwinkel. Ingrid Wünschig erklärt, warum sie sich dieser Aufgabe so gern widmet: „Toben und Schularbeiten machen, hält einfach jung“, sagt die 69-Jährige. „Ich hatte selbst immer eine gute Beziehung zu meiner Oma. Kinder sollen auch die älteren Generationen kennenlernen“, findet Karla Töpfer (68). Die beiden Damen gehören zu den etwa 60 Leih-Großeltern, darunter eine Hand voll Opas, des gemeinnützigen Leipziger Vereins Senioren- und Familienselbsthilfe (Sefa), der dabei hilft, die passende Kinderbetreuung zu finden. Der Weg dahin war für die Seniorinnen ähnlich. Als sie Rentnerinnen wurden, haben sie eine neue Berufung gesucht. Und als Leih-Oma, weil sie noch keine eigenen Enkel hatten, gefunden. „Wir waren früher viel mehr draußen“: Töpfer wurde vor elf Jahren dank einer Zeitungsanzeige auf die Großelternvermittlung aufmerksam. Seitdem kümmert sie sich um Pascal, Sohn einer alleinerziehenden Frisörin, der die Rentnerin an ihren eigenen Sohn erinnerte. „Er wohnt auch in Eutritzsch, so konnte ich ihn abends immer unkompliziert bei seiner Mama im Laden abgeben“, erzählt Töpfer. Inzwischen ist aus dem Jungen ein selbstständiger Jugendlicher (15) geworden. Der enge Kontakt ist geblieben. Seit 2018 betreut die 68-Jährige zudem regelmäßig die siebenjährige Anna, kümmert sich außerdem als Vorsitzende um die Belange der Sefa. Wünschig übernimmt die administrativen Aufgaben des Vereins. Seit acht Jahren ist sie für die inzwischen zwölfjährige Nele eine Oma und beim Großelterndienst aktiv. Schwimmbad, Theater, Flughafen, Eisdiele – die Palette an Unternehmungen mit ihrer Wunschenkelin ist lang. „Ich bin für Nele eine Vertrauensperson geworden. Ihre Mama arbeitet in der Versicherungsbranche und hätte ihren Beruf nicht ausüben können, wenn wir nicht zueinander gefunden hätten“, sagt Wünschig. Inzwischen haben beide Leih-Omas selbst Enkel, allerdings in anderen Städten. „Nele versteht sich wunderbar mit Valentin und Bastian“, sagt Wünschig. Sind die Kinder zu Besuch, spielen die eigenen und die Wunschenkel gerne zusammen. „Sie fragen mich, was wir früher gespielt und gekocht haben. Inzwischen hat sich so viel gewandelt. Wir waren früher viel mehr draußen“, erinnert sich Töpfer. Sechs neue Großeltern in der Corona-Zeit gewonnen: Die vergangenen Monate waren für die Rentnerinnen hart. Etwa zwölf Wochen haben beide keinen direkten Kontakt zu ihren Wunschenkeln gehabt, sich nur telefonisch verbunden, um sie und sich in der Corona-Pandemie zu schützen. Dafür haben sie die Zeit genutzt, um Masken zu nähen und zu verschenken, an ihre Enkel und Altenheime. Erst seit Juni treffen sie sich wieder mit den Kindern, vor allem an der frischen Luft. Wünschig und Töpfer sind stolz darauf, wie sehr der Solidaritätsgedanke zu Corona-Zeiten in ihrem Projekt funktioniert hat. Viele Familien haben den Leih-Großeltern zum Beispiel Hilfe beim Einkaufen oder anderen Erledigungen angeboten. Für den Verein hatte die Viruszeit sogar einen positiven Effekt: Gleich sechs Senioren haben sich als neue Großeltern angemeldet – viel mehr, als gewöhnlich. Die Verantwortlichen hoffen, dass der positive Trend anhält. Etwa 200 Kinder stehen aktuell auf der Warteliste, weil sich die Familien Leih-Großeltern wünschen. „Wir würden uns sehr freuen, wenn noch mehr ältere Menschen ihre Lebenserfahrung an die Kinder weitergeben und sich bei uns melden“, sagt Töpfer. Sechs Wochen Probezeit: Die Vermittlung ist ein längerer Prozess: Zunächst versucht die Sefa, Familien und Senioren nach Wohnort sowie Interessen zueinanderzubringen – bei einem persönlichen Gespräch. Dann gibt es die ersten Treffen. Ein Hinweis ist der Vereinsvorsitzenden wichtig: „Die Großeltern sind keine Haushaltshilfen.“ Nach sechs Wochen Probezeit müssen sich beide Parteien entscheiden, ob das neue „Familienleben“ funktioniert. „Wichtig ist, dass sich auch die Eltern und Großeltern verstehen, denn sie müssen sich vertrauen“, sagt Wünschig. Ist das beschlossene Sache, sind 60 Euro Mitgliedsbeitrag pro Jahr im Sefa-Verein für die Familien fällig, damit sich das ehrenamtliche Projekt finanzieren lässt. Die Stadt bezuschusst die Miete zu den Büroräumen in Leipzig-Eutritzsch, alles andere stemmen Töpfer, Wünschig und Co. selbst. Die Großeltern sind beim Verein versichert. Sefa e.V., der Verein für Senioren- und Familienselbsthilfe, wurde 1995 gegründet und hat aktuell 128 Mitglieder. Seit 2001 gibt es den Großelterndienst als generationsübergreifendes Projekt für Familien. Es ist ein Ehrenamt für aufgeschlossene Menschen in Leipzig, die nach Beendigung der beruflichen Tätigkeit eine neue Aufgabe suchen und große Freude an der Betreuung von Kindern haben. Altersgrenzen gibt es keine. In der Regel sind die Leih-Großeltern aber zwischen 50 und 80 Jahren alt. Ein- bis zweimal wöchentlich werden die Kinder im Alter von ein bis zehn Jahren betreut. Von Anne Grimm