Der biertuelle Weg in der Leipziger Kneipe Dr. Hops: Warum eine Craft-Beer-Verkostung online Spaß macht

„Homedrinking is killing Gastwirt“. Dem langjährige Slogan der Vodkaria hat Corona einen bitteren Geschmack untergemischt: Gastronomen und Kneipengänger sind zum Warten verdammt, das Heimtrinken ist alternativlos. Mit ihren Online-Tastings hat die Craft-Beer-Kneipe Dr. Hops daraus früh ein Format gebastelt, das Spaß macht und wirtschaftliches Überlebensmittel wurde. Am Wochenende gab’s mal wieder eine virtuelle Bierverkostung von hochdekorierten Experten. Der Hamburger Olli Wesseloh trägt nicht nur den Titel des Diplom-Ingenieurs für Brauwesen, sondern auch des Biersommelier-Weltmeisters 2013 sowie einen Hipster-Bart, mit dem er auftretende Personallücken bei ZZ Top unbemerkt schließen könnte. Covid 19 lädt übrigens auch den Namen seiner Brauerei mit Symbolik auf: Bei „Kehrwieder“, eigentlich auf die jeweilige Heimkehr nach internationalen Biererkundungs-Reisen gemünzt, denkt gerade jeder eher an den Neustart für Kneipen. Als Pendant zum 47-jährigen Routinier sitzt Kolja Gigla (36) vor seinem heimischen Laptop, auch er studierter Brauer und Chef der Mashsee Brauerei in Hannover. Beide werden in den Raum von Dr. Hops gebeamt, zu den Gastgebern Stine Täubert und Lukas Lippmann. Es wird geplaudert, gefachsimpelt, philosophiert und abgeschweift – wie das in Kneipengesprächen halt so läuft. Das Publikum, das sich vorher mit den ausgesuchten Sorten beim Gastgeber eingedeckt hat, trinkt zu Hause mit, stellt in der Kommentarleiste Fragen oder gibt Wertungen ab. Zu den schönsten Sätzen des langen Samstagabends gehört „Alle Biere haben eine Absicht“, ausgesprochen von Gigla. Die geht selbstverständlich weit über das profane Betrunken-Machen hinaus. Sechs Sorten beweisen die enormen Unterschiede in Charakter und Geschmack. Das „Prototyp“ von Kehrwieder hat eine sehr fruchtige Note, während das Mashsee-„Trainings-Lager“ malziger und bitterer schmeckt. Userin Anne fasst den direkten Vergleich mit „,Prototyp’ ist fluffiger“ treffend zusammen. Was hinter IBUs steckt: Auf dem Weg zu den nächsten Sorten erfährt man unter anderem, dass IBUs hier keine Schmerztabletten sind. Hinter den „International Bitter Units“ steckt die Bittereinheit für den Iso-Alpha-Säureanteil im Bier. Die reicht von null bis etwa 120. Lange schmunzelte der Braumeister Kolja Gigla über gewisse Missverständnisse. Aus „Mashsee“ lasen viele „Moschee“, und im Logo der Brauerei meinten viele einen kotzenden Indianer zu erkennen. Olli Wesseloh berichtet von seinem Beginn als Wanderbrauer in Dänemark, Inspiration durch Craft Brewer in den USA, dem Gewinn des WM-Titels und weiteren Auszeichnungen. In den über 25 Jahren hat er mehr als 100 Biersorten gezaubert. Solche Abschnitte sind spannend, während sich dazwischen manches Geplauder dehnt und für eine Art Informations-Unterhopfung sorgt. Heftiges „Nottingham“-Ale: Die Herausforderung des Abends, zumindest aus Sicht des Autoren, ist das Barley Wine Style Ale „Nottingham“. Obergärig, zehn Prozent Alkoholgehalt, heftiges Geschmackserlebnis. Die Mischung aus Schwere, Süße, Bitterem und Kräftigkeit zieht einem die Schuhe aus! Drei Stunden nach Übertragungsbeginn kommt es deshalb schon mal vor, dass die eine oder andere Silbe der erschwerten Zungenbeweglichkeit zum Opfer fällt. In jedem Fall hat es allen Beteiligten Spaß gemacht. Auch die Hops-Doktoren haben Gefallen an der Online-Variante gefunden. „Wir haben immer richtig Lust drauf“, betont Betreiber Franz Uhlig, der diesmal zu den 50 Zuschauerinnen und Zuschauern gehörte. „Natürlich ist die Lage insgesamt für uns schwierig, aber wir sind trotzdem eher dafür da, zu trösten, statt getröstet zu werden.“ Auch in existenzieller Hinsicht ist der biertuelle Weg für das Team wertvoll: „Der Verkauf der Tasting-Pakete sorgt dafür, dass wir unsere Rechnungen bezahlen können“, sagt Uhlig. Homedrinking is saving Gastwirt. Verkauf und Abholung von Tasting-Sets im Dr. Hops ist von Mittwoch bis Samstag von 15-19 Uhr möglich. Bisherige Verkostungen können auf www.youtube.com/drhops angeschaut werden; weitere Infos stehen auf www.dr-hops.de. Von Mark Daniel