30 Jahre Deutsche Einheit – so hat sich Leipzig seit 1990 verändert

Nach der Deutschen Vereinigung vor 30 Jahren hat Leipzig viel Licht und Schatten erlebt. In keiner anderen Halbmillionenstadt gab es so drastische Veränderungen. Das geht aus einem „Trendbericht“ hervor, den das Amt für Statistik und Wahlen pünktlich zum 3. Oktober 2020 vorlegte. „Im Kern“ sei die soziale und wirtschaftliche Entwicklung jedoch höchst erfolgreich verlaufen, resümierte Verwaltungsbürgermeister Ulrich Hörning (SPD) dazu. „Es hat seinen Grund, dass die Leipziger schon 1905 ihr Rathaus zwei Meter höher gebaut hatten als das in Hamburg. Hier leben nach wie vor besonders engagierte, rührige Leute, denen nach 1990 ein atemberaubender Aufholprozess gelungen ist.“ Hier folgen zehn Beispiele aus dem neuen Bericht, die diese These belegen. Zehn Schlaglichter des Trendberichts: Auf und Ab: Laut den Statistikern hat sich Leipzig nach der Einheit in fünf Phasen entwickelt. Der schwungvolle Aufbruch in der „Boom-Town des Ostens“ hielt nur bis 1993. Im Zuge starker Abwanderung folgte eine Abschwächung bis etwa 1998, dann eine ernste Krise mit dem Tiefpunkt im Jahr 2002 (also zeitgleich zur Olympia-Bewerbung). Nach einer Neuorientierung sowie Industrie-Ansiedlungen von Porsche und BMW setzte schließlich 2009 ein starkes Wirtschafts- und Einwohnerwachstum ein. Das mündete 2017 in eine neue „Konsolidierungsphase“, die bis heute anhält. Demografie: Im Jahr der Deutschen Einheit zählte Leipzig 511.000 Einwohner, acht Jahre später waren es nur noch 437.000. Heute sind es 601.000. Seit 2014 gibt es mehr Geburten als Sterbefälle. Die Zahl der Ausländer hat sich seit 2008 verdoppelt auf 61.000. Weitere 32.000 Messestädter sind deutsche Staatsbürger mit Migrationshintergrund. Der Lebensbaum war 1990 am breitesten bei den 50- bis 55-Jährigen, heute ragen 30- bis 35-Jährige heraus. Zufriedenheit: Bei der jüngsten kommunalen Bürgerumfrage zeigten sich 80 Prozent der Teilnehmer mit ihrem Leben in Leipzig „zufrieden“ oder „sehr zufrieden“. Bei der ersten 1992 waren es nur 47 Prozent. Ihre eigene wirtschaftliche Situation schätzten vor 30 Jahren 25 Prozent der Bürger als „gut“ oder „sehr gut“ ein, heute sind es 63 Prozent. Das monatliche Nettoeinkommen pro Kopf verdreifachte sich in dieser Zeit nahezu: von 590 auf 1438 Euro. Wohnen: 1996 lebten im Schnitt 2,1 Personen in jedem Haushalt, heute nur 1,7. Die durchschnittliche Wohnfläche wuchs um fünf auf 70 Quadratmeter. 1997 wurden die meisten Wohnungen fertiggestellt (fast 8000), 2006 die meisten abgerissen (über 2000). Im letzten Jahr stieg die Zahl der Wohnungen um 1900 auf 340.300. Im Schnitt zahlt ein Haushalt inzwischen 360 Euro Kaltmiete und 130 Euro Betriebskosten. Die Gesamtmietbelastung der Haushalte stieg von 14 Prozent im Jahr 1992 auf 35 Prozent im Jahr 2013 – seitdem sank sie wieder auf zuletzt 30 Prozent. Seit 2012 zogen die Angebotskaltmieten für freie Wohnungen von 5 auf 7 Euro an. Verkehr: Der Anteil von Bussen und Bahnen beim Arbeitsweg der Leipziger sank von 34 Prozent im Jahr 1993 auf 24 Prozent im Jahr 2019. Der Anteil des Rad- und Fußverkehrs stieg indes von 17 auf 31 Prozent, der des Autoverkehrs fiel von 49 auf 45 Prozent. Der Kfz-Bestand wuchs von 1991 bis 2019 von 84.600 auf 263.100. Die Zahl der Verkehrsunfälle war erstaunlicherweise damals wie heute gleich: 13.200. Arbeit: Der Dienstleistungssektor (mit eher niedrigen Löhnen) legte seit 1992 am stärksten zu – von 126.000 auf 201.100 Erwerbstätige. Gleichzeitig halbierte sich die Zahl der Beschäftigten im produzierenden Gewerbe von 99.000 auf 49.000, was die eher geringen Werte beim Nettoeinkommen der Leipziger und Bruttoinlandsprodukt (BIP) erklärt. Handel, Gastgewerbe und Verkehr verdoppelten die Mitarbeiterzahlen von 46.000 auf 92.000. 2007 waren rund 47.000 Leipziger arbeitslos, vor der Corona-Krise unter 19.000. Umwelt: Seit der Jahrtausendwende spielen Luftschadstoffe wie Benzol und Schwefeldioxid keine Rolle mehr. Beim Feinstaub ging die Belastung nach Einführung der Umweltzone 2011 deutlich herunter. Im letzten Jahr wurde erstmals auch im ganzen Stadtgebiet der Grenzwert für Stickstoffdioxid eingehalten. In den jüngsten Dürresommern lagen aber die Ozonwerte sehr hoch, hingegen fielen die Niederschläge so gering wie noch nie seit 1990 aus. Bildung: 1991 wurden gut 37.000 Kinder in Kitas und Horten betreut, 1999 waren es 20.000. Aktuell sind es jetzt 59.000! Einen Migrationshintergrund hatte 2008 etwa jeder zehnte Schüler in Leipzig, heute ist es jeder Vierte. 1990 zählte die Stadt 19.000 Studierende (darunter 1000 internationale), heute sind es 39. 000 (davon 5000 internationale). Nach der Eröffnung der Tropenhalle Gondwanaland erlebte der Zoo in 2011 zwei Rekordjahre mit jeweils mehr als zwei Millionen Besuchern. Tourismus: 1992 wurden 746.000 Gäste-Übernachtungen gezählt, im vergangenen Jahr 3,6 Millionen. Die Zahl der Hotel- und Pensionsbetten stieg von 3700 auf gut 20.000. Finanzen: Die Schulden der Stadt betrugen 1992 unter 100 Millionen Euro, wuchsen dann bis 2004 auf 912 Millionen, um danach wieder zu fallen auf aktuell 478 Millionen. Die Steuereinnahmen der Kommune betrugen im letzten Jahr 683 Millionen Euro, vor 25 Jahren 198 Millionen. Umgerechnet auf Vollzeitstellen sank die Zahl der Rathaus-Mitarbeiter in den zurückliegenden 20 Jahren von 9860 auf 6850. Den niedrigsten Wert gab es 2007 mit 5390. Von Jens Rometsch