Ausstellung ab Herbst in Leipzig: Die Zeitungsschätze der Nationalbibliothek

Am 1. Juli ist es genau 370 Jahre her, dass in Leipzig die erste Tageszeitung der Welt gedruckt wurde. Das Deutsche Buch- und Schriftmuseum wollte dies zum Anlass nehmen, dieser „Jahrhunderterfindung“ aus Leipzig eine kleine Ausstellung zu widmen – im Rahmen des Jahres der Industriekultur 2020. „Das müssen wir nun aber auf den Herbst verschieben“, bedauert Museumschefin Stephanie Jacobs. Die Schau ist quasi – wie vieles andere – Corona zum Opfer gefallen. Im Herbst 2020 werden dann auch Dokumente aus einer zeitungshistorischen Sammlung von europäischem Rang gezeigt, die die Deutsche Nationalbibliothek von dem Krefelder Verleger Hans-Ulrich Nieter erwerben konnte. „Wir hatten viele Jahre Defizite in unserer Sammlung, obwohl die Tageszeitung ja ein Leipziger Kind ist“, sagt Stephanie Jacobs. Nieter hat die Sammlung, die den Schwerpunkt auf das 18. bis 20. Jahrhundert legt, in mehr als 30 Jahren zusammengetragen. Handschriftliche Vorläufer der Zeitung und Flugblätter sind ebenso vertreten wie seltene Dokumente zu Redaktion, Verlag, Werbung und Vertriebswegen, aber auch zur Geschichte der Zensur sowie eine Sammlung historischer Karikaturen zur Zeitung. Erste Tageszeitung der Welt im Original in Stockholm vorhanden: Museumsmitarbeiter Peter Kühne hat einige Spitzenstücke für die geplante Ausstellung zusammengetragen. „Die Leserschaft der frühen Zeitungen bekam in der Regel ein Konvolut von Nachrichten aus aller Welt, selten journalistisch aufbereitet“, so der Sammlungsexperte. Die erste Tageszeitung, die der Leipziger Drucker und Buchhändler Timotheus Ritzsch (1614–1678) am 1. Juli 1650 herausbrachte, ist im Original in der Königlichen Bibliothek zu Stockholm zu sehen. Das liegt daran, dass er die Lizenz dazu von den Schweden erhielt, die Leipzig acht Jahre bis Juni 1650 besetzt hatten – eine Folge des Dreißigjährigen Krieges. Bereits am 31. August 1649 kam Ritzsch zu dem Privileg, seine „Wöchentlichen Ordinari-Zeitungen“ herauszugeben. Dieser Titel wurde auf „Einkommende Zeitungen“ geändert, die laut Kühne dann sechs Mal wöchentlich erschien. Die Schau wird ein Faksimile zeigen. Ritzschs Druckerei befand sich auf dem Grundstück Ritterstraße 25, später in der Reichstraße 9. „Die meisten Leipziger Druckereien hatten sich mit der schwedischen Herrschaft im Grimmaischen Viertel von Leipzig angesiedelt. Das sollte in den nächsten 200 Jahren Bestand haben“, erläutert Kühne. Gesammelt wurden die Zeitungen übrigens anfangs keineswegs zu Archivierungszwecken, wie Museumsleiterin Jacobs erzählt. Daran habe damals niemand gedacht. „Es ging einfach nur um Zensur und Kontrolle.“ Ihre Erfolgsgeschichte als Massenmedium verdankt die Zeitung im 19. Jahrhundert dann technischen Innovationen und dem Kampf um die Pressefreiheit: 1914 wurden exakt 4221 Zeitungen in Deutschland verlegt – das war Hochzeit des Zeitungswesens. Von Mathias Orbeck