Corona-Infizierter bei RB-Spiel gegen Tottenham

Es war der vorerst letzte Erfolg der Leipziger Rasenballsportler: Am 10. März schossen Marcel Sabitzer und Mitstreiter den englischen Erstligisten Tottenham Hotspurs mit 3:0 aus dem eigenen Stadion und sicherten sich damit einen Platz im Champions-League-Viertelfinale. Danach wurden alle weiteren Spiele mit Blick auf die sich rapide ausbreitende Coronavirus-Pandemie abgesagt. Gesundheit geht vor – so lautete der einhellige Tenor nicht nur bei Behörden sondern auch beim Bundesligisten. Inzwischen ist allerdings klar: Unter den mehr als 42.000 Zuschauern in der Red Bull Arena befand sich damals auch mindestens ein Fan mit Corona-Infektion, der andere Zuschauer im Stadion anstecken konnte. Das wirft Fragen auf: Hätte die Partie doch besser ohne Zuschauer stattfinden sollen? Und: Haben sich weitere Fans an diesem Tag angesteckt? Zur Erinnerung: Am 10. März war der Corona-Virus bereits in der Region angekommen. Mehr als 1200 bestätigte Infektionen gab es bundesweit, in Sachsen wurden 22 Fälle registriert, von vier betroffenen Messestädtern wussten die Leipziger Behörden. Ein weiterer Infizierter fuhr an diesem Abend aus dem Saale-Orla-Kreis (Thüringen) in Richtung Red Bull Arena, um sich das Spiel der Nagelsmann-Elf anzuschauen. Nach dem Ski-Urlaub ins Stadion: „Wir haben bei uns im Landkreis einen Patienten, der sich im Ski-Urlaub in einem Krisengebiet mit dem Virus angesteckt hat. Nach unseren Erkenntnissen war er danach beim Fußball-Spiel in Leipzig, damals allerdings noch ohne Symptome“, erzählt Mandy Käßner. Sie ist Sprecherin des zuständigen Landratsamtes in Schleiz, das bisher über acht Infizierte im Landkreis wacht. Der betroffene Fußball-Fan sei zwischen 40 und 50 Jahre alt und seit Ausbruch der Krankheit – ebenso wie sein Sohn, der auch beim RB-Spiel war – in Quarantäne. „Wir gehen davon aus, dass er damals natürlich einigen Kontakt mit anderen Menschen im Stadion hatte und haben dies deshalb auch nach Leipzig gemeldet, damit dort Umgebungsermittlungen angestellt werden können“, so Käßner gegenüber der LVZ. Die Mail sei kurz nach Ausbruch der Krankheit am 18. März in die Messestadt versandt worden. „Dinge heute womöglich anders entscheiden“: Leipzigs Stadtsprecher Matthias Hasberg bestätigt, dass die Kommune vom Fall im Saale-Orla-Kreis und dem Besuch beim RB-Spiel wisse. Konkrete Recherchen zu weiteren Betroffenen im Stadion-Umfeld des Fans, wie dessen Sitznachbarn, wurden in der Messestadt aber nicht veranlasst. Dabei hatte die Stadt noch vor der Partie argumentiert: Durch die personalisierten Tickets ließen sich Coronafälle nachverfolgen. Der Grund für die ausgebliebene Recherche: Die Symptome zeigten sich beim Patienten am 17. März. Laut Vorgabe des Robert-Koch-Instituts müssten in der Folge alle Kontakte bis auf zwei Tage zurückliegend ermittelt werden, sagt der Stadtsprecher. In Leipzig war der Betroffene allerdings zuletzt am 10. März. Zudem sagt Hasberg: Experten halten es für eher unwahrscheinlich, dass man eine Woche vor Ausbruch einer Krankheit andere Menschen damit infiziert. „Die zeitliche Abfolge zeigt auch keinen Hinweis, dass er mit der Verbreitung hier in Leipzig etwas zu tun hatte.“ Angesichts der Entwicklung, die das Virus genommen hat, ist die Bewertung der Gesamtlage im Neuen Rathaus inzwischen aber zumindest eine andere als noch am 10. März. „In ganz Deutschland würde man Dinge heute womöglich anders entscheiden“, sagt Leipzigs Stadtsprecher. An Vorgaben des RKI gehalten: Hasberg betont aber, das Gesundheitsamt habe nicht fahrlässig gehandelt: „Faktisch haben wir uns damals an die Vorgaben des Robert-Koch-Instituts gehalten. Veranstaltungen unter freiem Himmel, wie dieses Fußballspiel, waren da noch erlaubt.“ Rigorose Einschränkungen, wie es sie inzwischen bundesweit gibt, gab es Anfang März noch nicht. Angesichts fehlender Vorgaben aus Berlin waren die Kommunen auf sich allein gestellt. Wenige Tage vor dem Spiel musste die Leipziger Stadtverwaltung die Absage der Buchmesse selbst verantworten. Erst nach dieser einsamen Entscheidung im Leipziger Rathaus rang sich Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) zu einer Obergrenze von 1000 Zuschauern bei Veranstaltungen durch. „Aber niemand wusste zu diesem Zeitpunkt genau: Was bedeutet das zum Beispiel in Bezug auf Fußballspiele oder andere Veranstaltungen unter freiem Himmel?“, so Hasberg. Mintzlaff: Gesundheitsamt hatte keine Bedenken: Nicht zuletzt gab es zu diesem Zeitpunkt auch von den Fußball-Verbänden kein Signal – stattdessen aber laute Befürchtungen von Club-Verantwortlichen, der Fußball in Deutschland könne finanziellen Schaden nehmen. RB-Boss Oliver Mintzlaff verteidigte die Entscheidun g, vor Publikum spielen zu lassen, zuletzt noch einmal und verwies dabei auf die Verantwortung der Kommune: „Es gab zu dieser Zeit vier Corona-Fälle in Leipzig, England stand nicht auf der Liste der gefährdeten Länder, das Gesundheitsamt hatte keine Bedenken gegen die Austragung. Also haben wir vor Publikum gespielt“, so der Vorstandschef des Fußball-Bundesligisten. Stadtsprecher Matthias Hasberg erinnert am Mittwoch dagegen auch an die Verantwortung jedes Einzelnen: „Man muss deutlich sagen: Es gab vor dem Spiel gegen Tottenham einen Aufruf von Gesundheitsamt und RB Leipzig an alle Fans, bitte nicht zu kommen, wenn man zuvor in Risikogebieten gewesen ist.“ Mit Blick auf die Angaben der Schleizer Behörde hatte der betroffene RB-Fan diese Bitte offenbar überhört. Lesen Sie auch: Spiel mit Fans: Spahn hat Verständnis für Entscheidung von RB Leipzig Trotz Corona-Krise: RB Leipzigs Champions-League-Spiel findet wie geplant statt Von Matthias Puppe

Infektionsrisiko Covid-19 - Fan mit Coronavirus war beim Spiel RB Leipzig gegen Tottenham