Die schwierige Suche nach Bomben-Blindgängern in Sachsen

Sie sind noch heute deutlich auf Luftbildern zu sehen: Blindgängereinschläge aus dem Zweiten Weltkrieg. Auch mehr als 70 Jahre nach den Luftangriffen durch Amerikaner und Engländer auf Sachsen schlummern noch immer Bomben im Boden. Wo sie sich genau befinden, ist auch für Experten schwer zu sagen. Die alten aus Flugzeugen aufgenommenen Fotos haben zwar eine erstaunlich hohe Qualität, sind aber nur bedingt aussagefähig. Überschätzte Luftbilder: „Diese Luftbilder werden völlig überschätzt“, sagt Jürgen Scherf, Sprecher des Kampfmittelbeseitigungsdienstes in Sachsen. Er und seine Kollegen arbeiten zwar auch mit diesen Fotos. „Sie sind aber nur ein Teil unseres Kampfmittelkatasters“, so Scherf. Darin sind auch weitere Daten, wie Augenzeugenberichte hinterlegt. Auch Ladelisten der britischen und amerikanischen Militärs gehören zu den Quellen. Auf den Bildern lassen sich die Einschläge zunächst genau unterscheiden. Die großen Krater dokumentieren eine Bombenexplosion. Kleinere, in Wahrheit gerade 50 bis 60 Zentimeter große Löcher, sagen den Experten: Hier steckt ein Blindgänger in der Erde. Für Scherf sind das Hinweise, mehr allerdings nicht. „Es kommt immer darauf an, wann fotografiert wurde“, erklärt er. Lückenhafte Aufzeichnungen: Oftmals hätten die Alliierten nach den Fotos selbst noch einmal Bomben abgeworfen und die Lage so völlig verändert. Hinzu kommt: Schon während des Krieges wurde mit der Entschärfung von Blindgängern begonnen. Diese Arbeit sei nach 1945 zunächst von den Siegermächten und später von den Sicherheitskräften der DDR fortgesetzt, aber nicht zuverlässig dokumentiert worden. „Uns vorliegende Aufzeichnungen beginnen erst Mitte der 1960er Jahre“, berichtet der Sprecher. Die Datenlage sei nicht sauber. Wo die meisten Bomben noch heute im Erdreich vermutet werden, ist dennoch klar. „Es ist in den großen Städten“, so Scherf. Leipzig, Dresden, Chemnitz, aber auch der frühere Rüstungsstandort Plauen seien die Hauptziele der Angriffe gewesen. Vor allem vor Bauarbeiten stellt sich auch heute noch die Frage, ob im Untergrund gefährliche Überraschungen schlummern. Der Kampfmittelbeseitigungsdienst gibt dazu noch Prognosen ab. Im vergangenen Jahr gingen 535 Anfragen ein. Für eine genaue Untersuchung des Erdreichs müssten die Bauherren allerdings private Unternehmen beauftragen und auch selbst bezahlen. „Wenn Munition gefunden wird, helfen wir selbstverständlich kostenlos“, erklärt der Sprecher weiter. Acht Entschärferteams: So war es auch am 9. Dezember 2019 zwischen Frankenheim und Dölzig. Nachdem ein Schatzsucher mit einem Metalldetektor eine Fünf-Zentner-Bombe auf einem Feld aufgespürt hatte, rückte Sprengmeister Jörg Lange an und ließ den Blindgänger geordnet detonieren. Er und sieben weitere Zweierteams sind an 365 Tagen im Freistaat unterwegs und erledigen durchschnittlich zwei Aufträge am Tag. Meistens werden sie aber nicht zu alten Fliegerbomben, sondern zu Funden von Artilleriemunition gerufen. „Sachsen war im Zweiten Weltkrieg Kampfgebiet“, erklärt Sprecher Scherf die häufigen Einsätze. Im Jahr 2018 sammelten seine Kollegen rund 183 Tonnen dieser Geschosse ein und zerlegten sie anschließend auf dem Gelände der ehemaligen Heeresmunitionsanstalt Zeithain in 18 ehemaligen Wehrmachtsbunkern. Keine Prognose möglich: Prognosen, wie lange die Entschärfer noch zu tun haben werden, will der Sprecher nicht abgeben. Er rechnet damit, dass gut 15 Prozent der Bomben und Granaten im Zweiten Weltkrieg wegen technischer Mängel nicht explodiert sind. Berechnungen von Historikern zufolge fielen allein am 13. und 14. Februar 1945 auf Dresden 3834 Tonnen Bomben. Damit könnten 575 Tonnen als Blindgänger gelandet sein. Das wären 2300 Bomben wie sie bei Dölzig gefunden wurden. Krater im Acker: So wurde die Fliegerbombe bei Leipzig gefunden Liveticker zum Bombenfund bei Dölzig Leipziger behindern Räumung – Welche Konsequenzen drohen? Alle wichtigen Informationen zum Bombenfund bei Dölzig Gefährliches Hobby: Schatzsucher graben Bombe bei Leipzig aus Das passiert bei einem Bombenfund in der Leipziger Rettungsstelle „Bombe konnte jederzeit explodieren“ – Die Zusammenfassung der Ereignisse rund um die Bombe bei Dölzig Fliegerbombe: Kinder warten in der Turnhalle auf ihre Eltern Sportcenter Markranstädt: Rund 50 Einsatzkräfte versorgen Evakuierte Fliegerbombe: Dölziger Pferde müssen ihren Stall verlassen Von Matthias Roth

Sprengkörper aus dem Zweiten Weltkrieg - Die schwierige Suche nach Bomben-Blindgängern in Sachsen