Diskussion um Corona-Abitur ohne Prüfungen: Kontroverse um GEW-Vorschlag auch in Leipzig

Je tiefer die Krise, desto häufiger die Kurswechsel und Schnellschüsse. Was unter anderem auf Inzidenzmarken, Testpflicht und Osterruhetage zutraf, ereilt nun den Abiturjahrgang: Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) spielt das Szenario durch, die Abiturprüfungen angesichts steigender Infektionszahlen abzusagen. Das zog Kritik in Sachsen unter anderem von Kultusministerium und Landesschülerrat nach sich. In Leipzig ist die Haltung differenziert. Marco Götze sieht in dem Vorstoß der GEW durchaus eine Berechtigung. „Die Gewerkschaft bezieht sich auf die schriftlichen Klausuren, und da sind die Bedingungen tatsächlich problematischer als in den mündlichen Grundkursprüfungen, die einzeln absolviert werden“, sagt der Sprecher für Schule und Bildung bei den Linken, der Stadtrat und Gymnasiallehrer in Personalunion ist. „Eine geringe Ansteckungsgefahr für Prüfungen bis zu sechs Stunden mit zum Teil mehr als 100 Leuten an größeren Schulen zu gewährleisten, bedarf bestimmter Bedingungen.“ „Die Landespolitik ist gefragt“: Um Lüften, Abstand, Schnelltests, Desinfektionsmaterial und vor allem mehr Aufsichtspersonal stellen zu können, hält es der Lehrer an der Louise-Otto-Peters-Schule für möglich, den Regelbetrieb von Schulen an den entsprechenden Tagen zum Teil aussetzen zu müssen. „Die Landespolitik ist gefragt, für Sicherheit und einen reibungslosen Ablauf zu sorgen. Aber der GEW-Vorschlag, mit Blick auf die Inzidenzzahlen schon mal vorzudenken, ist sinnvoll“, sagt er, betont jedoch auch: „Ein Abi ohne Prüfungen wäre eine absolute Not-Variante.“ Schüler Marius Wittwer, der sich auf seine erste Prüfung in Deutsch am Beruflichen Schulzentrum der Karl-Heine-Schule Ende April vorbereitet, sieht den angeblichen Schnell- eher als Spätschuss. „Diese Überlegung kommt viel zu spät“, kritisiert er. Bereits beim LVZ-Talk Ende Januar hatte Wittwer in Anwesenheit von Kultusminister Christian Piwarz angemahnt, „über Möglichkeiten nachzudenken, falls die Pandemie noch nicht so schnell zu Ende ist“. Die Zeit habe man ungenutzt verstreichen lassen, so sein Vorwurf. Was die GEW jetzt ins Spiel bringe, sei so kurz vor dem Abi kaum noch umsetzbar und sorge zusätzlich für Verunsicherung. Was ist mit der Maskenpflicht? „Ich bin auf den Plan der Landesregierung gespannt“, sagt der 21-Jährige, der Schnelltests vor jeder Prüfung als unabdingbar ansieht. „Wie wird beispielsweise die Regel zur Maskenpflicht gehandhabt – 70 bis 90 Minuten tragen und zwischendurch 30 Minuten lang nicht? Das klingt nicht zu Ende gedacht.“ Der Leipziger Thomas Langer vom Philologenverband Sachsen (PVS) bezieht deutlich Stellung in der Diskussion: „Die Abiturientinnen und Abiturienten verdienen die Chance auf ihre Prüfungen“, sagt er. „Die Abschlussklassen haben im gesamten Pandemiejahr den meisten Unterricht von allen gehabt. Mit Ausnahme von Mitte Dezember bis Mitte Januar waren sie durchgängig in der Schule.“ Man habe inzwischen gute Erfahrungen mit Prüfungen unter Pandemiebedingungen. „Sicher wird es an den diesen Tagen keinen kompletten Präsenzunterricht für andere Klassen geben, damit wir genügend Platz haben und Abstände einhalten können.“ LaSuB-Sprecher gelassen: Roman Schulz, Sprecher des Sächsischen Landesamtes für Schule und Bildung (LaSuB), bleibt in der Debatte gelassen. „Die Situation, an dem die von der GEW angeschobene Diskussion angebracht wäre, ist noch nicht in Sicht.“ Schulz weist darauf hin, dass sich in Sachsen „alle Beteiligten seit Januar besser auf Corona-Bedingungen einstellen konnten“ und das Abitur im Freistaat hohen Stellenwert habe. Im Zweifel wäre eine Verschiebung der Klausuren nach hinten der bessere Weg, als sie komplett zu streichen. Von Mark Daniel