Dokumente digital: Leipziger Start-up Memoresa bringt Ordnung in Papiere

Nach seinem schweren Fahrradunfall 2014 lag der Leipziger Wirtschaftsinformatiker Steffen Stundzig auf der Intensivstation. Als er wieder klar denken konnte, fragte sich der Familienvater besorgt: „Hätte meine Frau im Ernstfall gewusst, welche Verträge von mir wo liegen, die sie fristgerecht hätte kündigen müssen?“ Manche hat er abgeheftet auf Papier, andere gibt es nur digital. Doch besonders bei Lebens- oder Unfallversicherungen ist Eile geboten. Binnen 24 bis 72 Stunden nach Bekanntwerden muss der Todesfall gemeldet werden, sonst zahlen die Versicherer eventuell kein Geld aus. Aber auch Handyverträge, Geldanlagen, Abos oder Fitnessstudio sind in einem solchen Fall zu kündigen. Und nicht zuletzt sollten Social-Media-Konten, digitale Fotosammlungen oder Gesundheitsdaten auf Fitness-Apps gelöscht werden. Dicke Aktenordner im Regal sind out: Aus Sicht eines Betroffenen entwickelte der 45-Jährige daraufhin eine Plattform, die sämtliche Verwaltungsvorgänge eines Menschen digital erfasst und ordnet. Er nannte sie „Memoresa“, was für „Erinnern“ steht. Der Name wurde am Abendbrottisch erfunden, im Brainstorming mit der Tochter, die gerade für eine Lateinklausur lernte. Zusammen mit Partner Jörg Schädlich (56) gründete Steffen Stundzig 2019 die Memoresa GmbH. Sie hat inzwischen knapp 30 feste und freie Mitarbeiter, Durchschnittsalter: Mitte 30. Ordnung ins Chaos der Verträge bringen: Mittlerweile hat der Softwareentwickler nicht mehr nur den Todesfall im Blick. Sondern er versteht das Portal als einen Ort, an dem die Nutzerinnen und Nutzer ihre sämtlichen Angelegenheiten in digitaler Form erfassen und hinterlegen können. Sortiert in Ordnern für Verträge, Versicherungen, Mitgliedschaften, Vollmachten oder Ausweise. Die Umstellung von „analog“ auf „digital“ geht ganz einfach, indem man Fotos von den Dokumenten hochlädt oder E-Mails weiterleitet. „Vielen Leuten fällt es schwer, sich zum Aufräumen zu motivieren. Aber das kann man ja nach und nach machen“, sagt Stundzig. Automatisierte Meldung im Todesfall: Wer seine Dokumente braucht, kann jederzeit, auch unterwegs, darauf zugreifen. Und falls tatsächlich der plötzliche Todesfall eintritt, geht eine automatisierte Meldung an die Lebensversicherung oder andere Vertragspartner auf Knopfdruck raus. Doch wie erfährt „Memoresa“ selbst vom Tod ihrer Kundschaft? „Da gibt es drei Möglichkeiten: erstens über eine vorher benannte Vertrauensperson, zweitens über einen Passus im Testament oder drittens über das notariell beglaubigte Testament, das beim Testamentsregister liegt“, erläutert der Firmenchef. Die Plattform hat verschiedene Gebührenmodelle: Die ersten zehn Verträge können kostenfrei eingestellt werden. Für zehn Euro pro Jahr können 50 Dokumente hinterlegt werden. Und für 50 Euro pro Jahr (oder 5 Euro pro Monat, oder 1000 Euro einmalig) bekommt man das „Lifetime“-Paket. Drei Anwälte im Team: Auf die Frage nach der Datensicherheit antwortet der „Memoresa“-Gründer: „Alle Daten liegen in deutschen Rechenzentren, nicht irgendwo in Übersee. Zudem haben wir drei Anwältinnen und Anwälte im Team, die alles begleiten und prüfen, was die Programmierer bauen.“ Und sollte die Firma in die Insolvenz gehen und ihren Geschäftsbetrieb einstellen, können alle Nutzerinnen und Nutzer die hinterlegten Daten und Dokumente mit einem Klick aus dem Portal exportieren und beispielsweise auf Festplatte, USB-Stick oder in einer anderen Cloud speichern. „Die Daten bleiben komplett erhalten, nichts geht verloren. Lediglich um automatische Regelungen können wir uns dann natürlich nicht mehr kümmern“, so Stundzig. Von Kerstin Decker