Fehlende Finanzierung: Leipziger Präventionsprojekt „Wandelhalle Sucht“ vor dem Aus

Die Nachricht kam für das Team wie ein Schlag aus dem Nichts. Anfang der Woche erfuhr das Zentrum für Drogenhilfe, dass sein Selbsthilfeprojekt „Wandelhalle Sucht“ nach 13 Jahren Arbeit Ende Dezember eingestellt werden muss. Die Kosten für das Präventionsangebot von und mit abstinent lebenden Suchtkranken sind ab 2021 nicht gesichert. Dieter Rienaß, Vorsitzender des Fördervereins Zentrum für Drogenhilfe e.V., ist entsetzt über das Aus. „Das Projekt begeistert nicht nur Schülerinnen und Schüler, sondern hat auch einen stabilisierenden Wert für abstinent lebende Suchtkranke“, sagt er. „Jährlich erreichen wir damit rund 1700 Schülerinnen und Schüler der 7. und 8. Klassen.“ Verhandlungen ohne Ergebnis: „Wandelhalle Sucht“ ist ein Kooperationsprojekt zwischen der Sucht-Selbsthilfe Regenbogen, vertreten durch den Förderverein Zentrum für Drogenhilfe e.V., und dem Eigenbetrieb des Klinikums St. Georg. Seit dem Start 2007 wurde es durch Spenden sowie Förder- oder Stiftungsgelder finanziert, unter anderem von der AOK Plus und der Stiftung „Leipzig hilft Kindern“, akquiriert durch den Förderverein. Als Dauerförderungen war die Unterstützung nie angelegt, was nach mehreren Jahren Arbeit eine Regelfinanzierung notwendig machte. Schon seit 2017 führt der Verein laut Rienaß mit der Stadt und dem Gesundheitsamt Verhandlungen. Weil jedoch auch der aktuelle Entwurf des Doppelhaushaltplanes 2021/2022 keine Übernahme der Personalkosten der Projektleitung vorsieht, ist nun Schluss. Offenbar fehlte ein Fürsprecher: „Wir können uns das nicht erklären. Die Gespräche mit der Suchtbeauftragten im Vorfeld waren stets konstruktiv und unterstützend“, so der Vorsitzende. „2019 sind wir von ihr explizit gebeten worden, das Jahr 2020 erneut zu ermöglichen, weil der neue Haushalt 2021/2022 ja erst jetzt verhandelt wird.“ In einem der LVZ vorliegenden Schreiben steht die Zusage, die Stadt werde den Träger beim Beantragen von kommunaler Förderung „intensiv fachlich begleiten“. Dennoch hat es laut Rienaß seit Ende 2019 keine Gespräche mehr mit den Projektverantwortlichen oder dem Förderverein gegeben. Offenbar, so die Vermutung, fehlte im Gesundheitsamt ein Fürsprecher, der die Bedeutung des Projekts erkannt und herausgestellt hat. Schon 54 Anfragen für 2021: Für das erste halbe Jahr 2021 liegen bereits 54 Gruppenanfragen vor, die – bleibt es bei dem Stand – abgelehnt werden müssen. Gänzlich abschreiben wollen Rienaß und das Zentrum für Drogenhilfe das erfolgreiche Projekt jedoch nicht. „Wir hoffen nun auf eine Berücksichtigung im Nachtragshaushalt“, sagt Cornelia Wala, Finanzvorstand des Fördervereins und verweist auf die Erkenntnisse des Drogenbeirats der Stadt von 2018. „Der hat festgestellt, dass die Arbeit von uns sowie ,Drahtseil‘, ,Drugscout‘ und ,Free Your Mind‘ für die Drogenprävention nicht ausreichen. Das bekräftigt die Unverzichtbarkeit von ,Wandelhalle Sucht‘“. Auch Volker Külow, Sprecher der Fraktion Die Linke für Gesundheit, Soziales und SeniorInnen, betont die Bedeutung des Projekts und signalisiert Unterstützung. „Diese 13-jährige Erfolgsgeschichte darf nicht sang- und klanglos enden“, betont er. „Gemeinsam mit den anderen Fraktionen sollten wir im nächsten Doppel-Haushalt unbedingt versuchen, einen Rettungsweg zu finden.“ Er bedauert, dass „es uns trotz wiederholter Bemühungen in den zuständigen Ausschüssen in den letzten Monaten nicht gelungen ist, die Zukunft des Projekts zu sichern.“ Großer Erkenntnisgewinn: Bei „Wandelhalle Sucht“ berichten in rund zweistündigen Gruppenveranstaltungen mit maximal 15 Teilnehmern Suchtbetroffene von ihren Erfahrungen; dazu wird der Inhalt einer dazu gehörenden Ausstellung erarbeitet und ein Film zum Thema gezeigt. Sogenannte Rauschbrillen simulieren Beeinträchtigungen und Kontrollverlust bei einem Promillewert von 0,8 und 1,3. Rienaß unterstreicht: „Erkenntnisgewinn und Abschreckungseffekt sind groß, wie uns die Teilnehmer immer wieder bestätigt haben.“ Von Mark Daniel