Tische spielten in der Geschichte oft eine Rolle. Man denke nur an jenen, an dem 1945 das Potsdamer Abkommen ausgehandelt wurde. Bevor es im Zuge der Friedlichen Revolution vielerorts zu Zusammenkünften an Runden Tische kam, trafen sich am Nachmittag des 9. Oktober 1989 sechs Leipziger im Haus von Kurt Masur in Leutzsch.
Masur: Ich kann nicht dirigieren, wenn draußen geschossen wird
Der Gewandhauskapellmeister hatte nach der Generalprobe für das Konzert am Abend die Nachricht bekommen, dass die anstehende Montagsdemo mit Gewalt niedergeschlagen werden soll. Masur setzte sich mit Kurt Meyer, SED-Bezirkssekretär für Kultur, in Verbindung. Er könne nicht „Till Eulenspiegel“ dirigieren, während draußen geschossen wird.
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Man telefonierte, die Leipziger Sechs, neben Masur und Meyer die weiteren SED-Funktionäre Roland Wötzel und Jochen Pommert, der Kabarettist Bernd-Lutz Lange und der Theologe Peter Zimmermann, formulierten den Leipziger Aufruf zur Gewaltlosigkeit: „Unsere gemeinsame Sorge und Verantwortung haben uns heute zusammengeführt. Wir sind von der Entwicklung in unserer Stadt betroffen und suchen nach einer Lösung … Wir bitten Sie dringend um Besonnenheit, damit der friedliche Dialog möglich wird.“
Schau dauert bis Januar 2020
Die Sechs saßen bei der Erarbeitung des Textes an Masurs Tisch und auf dessen Stühlen/Sitzbank. Das folkloristische Interieur samt originalem Teppich ist jetzt im Gartenhaus des Mendelssohn-Museums das zentrale Objekt einer Schau über die politischen Aktivitäten des Gewandhauskapellmeisters während der Friedlichen Revolution.
Die Ausstellung gestalteten Christoph Siems und Konrad Bauer vom Internationalen Kurt-Masur-Institut, das im Mendelssohn-Haus seine Heimstatt hat. Die Möbel stellte Tomoko Masur als originale Leihgabe aus ihrem Haus in Leutzsch für die Dauer der Schau bis in den Januar 2020 zur Verfügung. Neben der Chronologie der Entstehung des legendären Aufrufs und dessen Bedeutung für den friedlichen Verlauf der Montagsdemos werden Masurs politische Aktivitäten dokumentiert – von seinem Einsatz für die Straßenmusikanten im Sommer 89 bis zu den von ihm initiierten Begegnungen im Gewandhaus.
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Sie saßen unter einer Kuckucksuhr
Die Sechs, die an Masurs Tisch saßen, wussten, was die Stunde geschlagen hatte. Hinter ihnen an der Wand hing die Kuckucksuhr, wahrscheinlich eine aus dem Schwarzwald.
• Die Ausstellung wird am Sonntag, 13. Oktober, 17 Uhr, mit Tomoko Masur im Mendelssohn-Haus eröffnet. Mehr zum 9. Oktober 1989 und zur Friedlichen Revolution finden Sie in unseren Themen-Special.
Von Thomas Mayer