Wie viele Geflüchtete leben überhaupt in Leipzig?

In den Gemeinschaftsunterkünften der Stadt Leipzig, die Platz für mehr als 3000 Menschen haben, leben derzeit 1972 Geflüchtete. „Mehr als die Hälfte davon sind dort schon zwei Jahre oder länger“, sagt Sozialbürgermeister Thomas Fabian (SPD) auf LVZ-Nachfrage. Denn es werde immer schwieriger, geeignete Wohnungen zu finden. Ende Juni lebten 2866 Menschen in Leipzig, die Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz erhalten. Weitere 9530 Personen bekommen Leistungen nach Sozialgesetzbuch II. 538 Menschen waren zudem in Erstaufnahmeeinrichtungen des Freistaates untergebracht. Große Wohnungen für Familien sind rar: Ziel der Stadt sei es nach wie vor, allen aus den Gemeinschaftsunterkünften eine Wohnung zu vermitteln – auch über die Leipziger Wohnungs- und Baugesellschaft (LWB). Dabei habe die Stadt Anfang 2020 eine Umfrage in den Unterkünften gemacht. Rund drei Viertel, so hieß es damals, haben nichts Passendes oder Bezahlbares gefunden. Zwölf Prozent wollten ohnehin in der Unterkunft bleiben, da sie sich dort wohlfühlen. Weitere zwölf Prozent gaben andere Gründe an. „Das hängt bei vielen auch damit zusammen, weil sie nicht genau wissen, wie lange sie in Deutschland bleiben können“, so Fabian. Etliche sind traumatisiert und gar nicht in der Lage, sich zu kümmern. „Besonders große Familien haben es schwer, eine Wohnung zu finden.“ Dies sei kaum anders als bei deutschen Familien. Die Mehrzahl der Geflüchteten, die in den Heimen leben, sind Alleinstehende sowie Familien mit mehr als fünf Personen. Geflüchtete reagieren nicht auf Angebot: Die LWB legte dem Stadtrat nun ein Papier vor, um Bilanz zu ziehen. Demnach gingen im II. Quartal 2020 etwa 80 Anfragen von Flüchtlingen nach einer Wohnung ein, die länger als ein Jahr bleiben dürfen und kein eigenes Einkommen haben. Dabei kam es zu elf Vermietungen. Dabei konzentriert sich die Nachfrage vor allem auf Ein-Raum-Wohnungen sowie Vier-Raum- und größere Wohnungen für Familien. An denen besteht generell ein großes Interesse – von Menschen, die Empfänger von Hartz IV oder Sozialhilfe sind und Kosten für ihre Unterkunft erstattet bekommen. „Hier kann die Nachfrage nicht immer gedeckt werden“, so LWB-Sprecherin Samira Sachse. Laut LWB wurden im zweiten Quartal 2020 die Daten von 122 Geflüchteten gelöscht, da sie trotz Information kein Interesse für einen Mietvertrag bekundeten. Es gab 16 Ablehnungen, auf 51 Angebote erfolgte keine Reaktion. Im ersten Quartal 2020 wurden die Daten von 151 Interessierte wieder gelöscht, da sie auf ein Angebot nicht reagierten. Fünf lehnte die angebotene Wohnung ab. Als Gründe wurde angegeben, dass die Wohnung zu weit vom Stadtzentrum entfernt sei, in der falschen Etage ohne Aufzug lag oder individuellen Ansprüchen nicht gerecht wurde. „Insgesamt lässt sich feststellen, dass die weitreichenden Einschränkungen infolge der Pandemie im Frühjahr 2020 auch Auswirkungen auf die Vermietung hatten. Zeitweise musste unsere Vermietung aufgrund der Kontaktbeschränkungen pausieren“, so LWB-Sprecherin Samira Sachse. Unterkünfte als abgeschlossener Wohnraum konzipiert: Abgeordnete wie Juliane Nagel (Die Linke) sowie Initiativen fordern derweil, mehr Geflüchtete in Wohnungen unterzubringen – um die Infektionsgefahr zu vermindern. Ihr Argument: Massenunterkünfte seien in Pandemiezeiten per se gefährlich. Da verweist Sozialbürgermeister Fabian allerdings auf die Hygienekonzepte: „Die meisten unserer Unterkünfte sind von vornherein so konzipiert oder angemietet, dass es sich um einzelne Wohnungen handelt“, sagt er. Da es derzeit genügend Unterkünfte gibt, können die Betroffenen bei Bedarf auch verteilt werden. Stadt hält 455 Reserveplätze bereit: Derzeit gibt es trotz bereits geschlossener Unterkünfte mehr als 1000 freie Plätze. Ist das überhaupt wirtschaftlich? „Wir passen die Betreiberkosten den aktuellen Belegungszahlen an.“ Reserven seien aber notwendig, auch aus wirtschaftlichen Erwägungen. Die Situation auf dem Immobilienmarkt hat sich gegenüber 2015 – dem Höhepunkt der Flüchtlingswelle – verschärft. In Leipzig gibt es kaum noch leer stehende Häuser, die die Stadt kurzfristig anmieten, oder Verwaltungsgebäude, die sie umnutzen könnte. Leere Schulgebäude sowie Flächen, auf denen notfalls Containerbauten aufgestellt werden können, fehlen ebenso. Zu den nicht belegten Plätzen kommen noch gut 455 Reserveplätze. Ein Teil davon wird aber anderweitig genutzt – etwa zur Unterbringung von Wohnungslosen oder Alkoholkranken, die vom Eigenbetrieb St.Georg betreut werden. Von Mathias Orbeck

Geflüchtete in Leipzig - 2000 Menschen in Gemeinschaftsunterkünften