Gewalt gegen Journalisten in Leipzig: „Querdenkerin“ identifiziert und beurlaubt

Bei der „Querdenken“-Demonstration am Samstag in Leipzig wurden zahlreiche Journalisten attackiert. Die Gewerkschaft Verdi spricht von mehr als 30 bekannten Fällen, in denen Berichterstatter von Teilnehmern der Proteste körperlich angegangen wurden. Während die Polizei noch ermittelt, hat einer dieser Angriffe bereits berufliche Konsequenzen für eine Kindergärtnerin aus Halle/Saale. Der Träger der Einrichtung teilte mit, die Frau sei in mehreren Videos identifiziert und deshalb nun freigestellt worden. In den im Netz veröffentlichten Filmen ist zu sehen, wie Teilnehmer der zu diesem Zeitpunkt längst untersagten „Querdenker“-Veranstaltung in Nähe des Leipziger Hauptbahnhofs eine Polizeisperre durchbrechen und dann offenbar gezielt auf zurückweichende Berichterstatter zugehen. Einer der Journalisten wird attackiert, scheint sich wehren zu wollen, woraufhin mehrere Personen auf ihn einschlagen – darunter eine Frau, die dem Opfer mehrfach auf den Kopf schlägt. Etwa 30 Sekunden nach Beginn des Angriffs kommen Polizisten dem Mann zu Hilfe. Laut Dirk Jürgens, Geschäftsführer der Volkssolidarität Saale-Kyffhäuser, sei die Angreiferin inzwischen von der Leiterin einer zum Sozialverband gehörenden Kindertagesstätte als Mitarbeiterin identifiziert worden. Die Frau wurde daraufhin mit sofortiger Wirkung vom Dienst frei gestellt. „Des Weiteren werden wir eine Anwaltskanzlei mit der Klärung des Falls beauftragen“, so Jürgens. Der Sachverhalt müsse allein schon aufgrund der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers gegenüber den Mitarbeitern aufgeklärt werden. Zudem sei es notwendig, arbeitsrechtliche Konsequenzen auch begründen zu können. Verbindungen zur rechtsextremen Szene: Wie Jürgens ebenfalls erklärte, habe es bereits vor dem Angriff am Samstag interne Diskussionen über die Mitarbeiterin gegeben. Grund dafür seien anonym im Netz veröffentlichte, aber auch durch einen Fernsehbericht erhärtete Informationen über ihre Verbindung zur rechtsextremen Szene der Saalestadt. Die Kindergärtnerin soll Lebenspartnerin des bekannten und vorbestraften halleschen Rechtsextremisten Sven Liebich sein. „In den Gesprächen mit uns hat sich die Mitarbeiterin von Extremismus jeder Art distanziert. Sie hatte aber auch erklärt, dass sie politisch aktiv ist“, so Jürgens. In der Kita selbst sei die Frau auch „als wertschätzende und achtsame Erzieherin wahrgenommen worden“. Geäußerte Ängste von Eltern seien ernst genommen worden – ein Elternabend zum Thema habe aber aufgrund der Pandemie bisher nicht stattfinden können. Neben möglichen arbeitsrechtlichen Konsequenzen drohen der Kindergärtnerin auch strafrechtliche. Wie eine Sprecherin der Leipziger Polizei gegenüber der LVZ erklärte, sei der Fall bekannt und entsprechende Ermittlungen eingeleitet. Die Behörden haben laut eigener Angaben mehr als 100 Straftaten im Rahmen der „Querdenken“-Demonstration registriert, die nun aufgeklärt werden müssen. Verdi: Völlig neue Dimension der Gewalt gegen Journalisten: Die Gewerkschaft Verdi sprach am Montag von mindestens 38 körperlichen Angriffen auf Journalisten während der „Querdenken“-Demonstration in Leipzig. „Im Vergleich etwa zu den Anti-Corona-Demonstrationen in Berlin haben wir eine völlig neue Dimension beobachtet, was das Ausmaß der Gewalt betrifft“, so Sprecherin Tina Groll. Sie kritisierte das Verhalten der Polizei, die zu passiv auf Attacken gegen Berichterstatter reagiert hätten. „Die Polizistinnen und Polizisten sind ihrer Aufgabe, die Pressefreiheit durchzusetzen und Journalistinnen und Journalisten zu schützen, nicht nur nicht nachgekommen. Sie haben diese zum Teil selbst an ihrer Arbeit gehindert“, so Groll. Ähnlich sieht es Hendrick Zörner vom Deutschen Journalisten-Verband (DJV): „Mehr als einmal wurden Journalisten in Leipzig von Einsatzkräften der Polizei an der Berichterstattung gehindert. Dafür gab es keinerlei Berechtigung.“ Es sei nicht nachvollziehbar, dass die Innenminister offenbar immer noch nicht ihre Polizei über die Rechte der Journalisten aufgeklärt haben. Von Matthias Puppe