Gleisdreieck in Leipzig: Gleisdreieck: Clubs hoffen auf erste Veranstaltungen im Sommer 2021

Am Mittwoch, 24. Februar, stehen im Stadtrat wichtige Beschlüsse für die Clubszene auf der Tagesordnung. Konkret geht es um das Projekt Gleisdreieck, durch das unter anderem der älteste ostdeutsche Techno-Club Distillery und der studentische TV-Club vor dem Aus bewahrt werden sollen. Die Stadtverwaltung unterstützt dabei einen Antrag der Grünen. Die Kommune will dem Amt für Wirtschaftsförderung 300.000 Euro für Planungskosten bereitstellen. Bekanntlich geht es um den Umbau eines früheren Bahnkraftwerks in Marienbrunn zum Musik- und Kulturzentrum. Über 300 Kreative könnten dort eine Heimstatt finden, Bühnen und Proberäume, Ateliers, Studios und Büros für Start-Ups nutzen. Die Gesamtkosten werden auf 18 Millionen Euro geschätzt. Gemäß dem Antrag soll auch geprüft werden, ob sich städtische Einrichtungen der Bereiche Kultur, Sozio-Kultur oder Bildung auf dem Gelände einbringen. Und ob die Stadt selbst Mitglied im Kuratorium der Leipziger Club- und Kulturstiftung wird. Gespräche zu erster Behelfsbrücke über die Gleise: Diese, von den Clubs initiierte Stiftung würde sich über die Verstärkung sehr freuen, so der Vorstand und Distillery-Chef Steffen Kache. „Das Projekt heißt nicht umsonst offenes Gleisdreieck. Wir wollen auch die Stiftung möglichst breit aufstellen und sind froh über die Unterstützung aus den Fraktionen.“ Im Rathaus ackere bereits eine ämterübergreifende Arbeitsgruppe an dem Thema. Mit den Leipziger Stadtwerken, die ebenfalls an der Arno-Nitzsche-Straße ihre neue Firmenzentrale planen, liefen Gespräche über den Bau einer ersten Behelfsbrücke über die Gleisanlagen. Am 3. März wolle die Stiftung ihr Konzept zur Bürgerbeteiligung im Stadtbezirksbeirat Süd vorstellen. „Zugleich starten wir damit einen Prozess, bei dem weitere Ideen mit Nachbarn und allen Interessierten gesammelt und diskutiert werden sollen“, betont Kache. „Sobald es Corona erlaubt, geht’s los.“ Anwohner haben sich Anwalt genommen: Keineswegs wolle man die Gartennutzer oder Anwohner verdrängen, versichert der 47-Jährige. „Wir sind doch selbst Vertriebene, müssen unsere Clubs spätestens Ende 2022 räumen, weil dort neue Wohngebiete gebaut werden. Da wäre es absurd, dasselbe an anderer Stelle selbst abzuziehen. Wir sind keine Verdränger!“ Insofern habe sich die Stiftung etwas gewundert, dass Anwohner aus den vier Häusern in dem Dreieck kürzlich die Stadt aufforderten, eine Ansiedlung der Clubs auszuschließen. Die Kommune solle für sie eine andere Fläche auf der Alten Messe suchen, schlugen Mieter und Eigentümer mit Hilfe eines Anwalts vor. Jahrelange Rechtsverfahren angekündigt: „Die von der Diskothek Distillery ausgehende, erhebliche Lärmbelastung durch überlaute Techno-Musik, tieffrequente Geräusche und Schall (Brummtöne) und die damit verbundenen Vibrationen sowie die erhebliche Belastung durch nächtlichen beziehungsweise frühmorgendlichen Zu- und Abgangsverkehr lassen keine zumutbaren Wohnverhältnisse zu“, schrieb ihr Anwalt Christoph Naumann an die Stadt. Er kündigte jahrelange Rechtsverfahren mit Baustopps an. Im Stadtplanungsamt erklärte Heinrich Neu indes, die Belange der Anwohner hätten in dem eben erst begonnenen Bauleitverfahren von vorn herein viel Gewicht erhalten. Die Anwohner seien – auch durch ihn selbst – frühzeitig informiert worden, so der amtierende Amtsleiter. Der Dialog werde fortgeführt, um „Grundlagen für solche Lösungen zu finden, die für alle im Gleisdreieck zufriedenstellend sind“. Stiftungsvorstand Kache erzählt, bei den ersten Gesprächen mit Anwohnern habe man „eigentlich kein schlechtes Verhältnis“ wahrgenommen. Die Distillery beweise seit Jahren, dass ein gutes Nebeneinander von Wohnhäusern und Clubs möglich sei. Lärm-, Klima- und Umweltschutz sollten nun bei weiteren Treffen mit den Nachbarn Thema werden. Die Stiftung versuche, bereits in diesem Sommer auf dem Gelände Theateraufführungen oder Ausstellungen zu ermöglichen – auch um den Austausch im Viertel zu befördern und Vorurteile abzubauen. Aktuell größte Baustelle sei die Finanzierung. Für die Gründung eines mitteldeutschen Music-Hub, der die ganze Wertschöpfungskette von Künstlern über Technik, Labels bis zur Forschung abbildet, knüpfe die Stiftung gerade Fäden zu lokalen Initiativen wie der Ideenschmiede Gecko 2, der Forschungsgruppe Nachhaltiges Bauen der Hochschule HTWK oder der Gemeinschaftswerkstatt Makerspace. Auch liefen intensive Gespräche, um eine Förderung aus dem Braunkohle-Ausstiegsfonds des Bundes zu erreichen – unterstützt unter anderem von Leipziger Bundestagsmitgliedern. Von Jens Rometsch