Grundschulen und Kitas offen - so verläuft der Start in Leipzig

Neun Wochen nach dem zweiten Corona-Lockdown hat an Sachsens Grundschulen der Unterricht wieder begonnen. Und auch die Kitas haben wieder auf. Die LVZ schaute sich an Leipzigs Schulen und Kitas um und erlebte einen Morgen voller Erleichterung, Sorge und Hoffnung. In der 9. Grundschule in Lößnig dürfen die Erstklässler als erstes rein: Um 7.15 Uhr soll die 1a Eingang A, die 1b Eingang C nehmen – und bitte recht flott: Um 7.25 Uhr sind schon die zweiten Klassen dran, danach geht es im Zehn-Minuten-Takt weiter. Die Schulleitung hatte im Vorfeld darum gebeten, dass die Kinder nicht zu früh kommen, um Menschenmengen zu vermeiden. Eltern dürfen nur bis zur Straße dabei sein. Eltern zwischen Erleichterung und Skepsis: Mutter Claudia Fahrenhold bringt ihren sechsjährigen Sohn Linus. „Ich finde das super“, sagt sie. „Er war seit seiner Schuleinführung fast öfter zu Hause als in der Schule und hat gar kein Gefühl, was Ferien sind und was Schule ist.“ Dagegen sieht es Juliane Wünsche skeptisch, als sie ihre Kinder Anna (8) und David (10) schon vor deren Einlasszeit in die Notbetreuung des Frühhorts bringt: „Ich bin Ärztin“, sagt sie. „Mir wäre lieber gewesen, man hätte noch zwei Wochen gewartet. Nicht, dass wir in drei Wochen den nächsten Lockdown erleben.“ Um das möglichst zu vermeiden, gehen die Klassen später zeitversetzt in ihre Hofpausen – so wenig Kontakt wie möglich ist das Ziel. Trotzdem sollen sich die Schüler dort möglichst austoben: Sportunterricht fällt vorerst aus. Im Fokus stehen die Kernfächer Deutsch, Mathe, Sachunterricht. Und in der vierten Klasse Englisch. „Es ist dünnes Eis“: Auch Roman Schulz, Sprecher vom Landesamt für Schule und Bildung, betont den hohen Stellenwert, den die Gesundheit von Lehrkräften und Schülern einnimmt. Die Entscheidung zur Wiedereröffnung der Schulen sei in der Abwägung zwischen dem Gesundheitsschutz auf der einen und resultierenden Bildungsrückständen auf der anderen Seite entstanden. „Es ist dünnes Eis“, gibt er zu. Zwar liegen noch keine Daten vor, wie viele Kinder tatsächlich in die Schule kamen, Gespräche mit den Bildungsstätten hätten allerdings ergeben, „dass die Eltern es annehmen“, so Schulz. Die Grundschulen als Erstes zu öffnen, sei indes berechtigt. Denn vor allem Schülerinnen und Schüler der unteren Klassenstufen seien im Lernen noch nicht selbstständig. In Leipzig hätten ihm Schulen im Gespräch bislang von keinen Schwierigkeiten berichtet – „bis auf den üblichen Verkehrswahnsinn“, sagt Schulz. Ein dickes Pausenbrot für den Neustart: Drittklässler Finley freut sich auf seine Freunde, Papa Marco Wilk darauf, dass er heute vor Schichtbeginn keine Schulaufgaben mit ihm machen muss, sondern in Ruhe einkaufen gehen kann. „Eine große Erleichterung“, sagt er. Weil am ersten Schultag kein Mittagessen in der Schule angeboten wird, hat Finley ordentlich Pausenbrot dabei. Am Tag darauf werden dann für alle Rührei, Spinat und Kartoffeln auf dem Speiseplan stehen – serviert in Assietten. „Die Kinder brauchen einfach andere Kinder. Deshalb ist der Schulstart wichtig“, sagt Stephanie Pliss-Dietrich, die Tochter Clara (6) in die Schule an der Bernhard-Göring-Straße bringt. „Meine einzige Sorge ist, dass der Schulstart etwas zu früh ist und nächste Woche dann wieder alles zu ist“, ergänzt Christian Krutzsch. „Dennoch sind wir froh, dass die Schule wieder losgeht. Die Betreuung neben der Arbeit war für uns eine Katastrophe“, so der Connewitzer, der ein Schul- sowie ein Kita-Kind hat. „Also doppeltes Risiko.“ Schulleiterin: Eine Frage der Logistik: „Es ist alles eine Frage der Logistik“, sagt Heike Hentschel, die Rektorin der Kurt-Masur-Grundschule in der Leipziger Südvorstadt. Vor der Bildungsstätte in der Scharnhorststraße herrscht am Morgen viel Gewusel – mit Abstand. „Wir haben ein Zeitkonzept, getrennte Eingänge, getrennte Klassen, versetzte Anfangszeiten, arbeiten in Blöcken“, erklärt die Schulleiterin. Die Stimmung unter den Pädagogen sei wie überall in der Gesellschaft geteilt. Die Lehrer und Lehrerinnen freuen sich, endlich wieder live vor der Klasse stehen zu können. Andererseits seien viele selbst Mütter und Väter, daher auch um die Gesundheit ihrer Kinder besorgt. „Doch alle sind vorsichtig. Schnupfen und Erkältungen gibt es diesen Winter kaum. In diesem Jahr haben wir so wenig Kranke wie noch nie“, so Hentschel. Einen Corona-Orden fürs Durchhalten: „Die Kinder bekommen alle eine Corona-Medaille vom Drachen“, erklärt Lehrerin Luise Kanemann, die die 2b unterrichtet: „Dann machen wir Erzählzeit. Zwei Kinder erzählen sich, was sie erlebt haben, was schön und was doof war.“ Sie ist froh, dass sie endlich wieder durchstarten kann. Vor dem Lockdown habe man zwar viel geübt, etwa das selbstständige Anmelden bei Lernsax. Es gab zweimal pro Woche Videokonferenzen für die Zweitklässler. „Es ist aber besser, wenn jetzt wieder alle in der Klasse sind. Vor allem für die Kinder, an die ich nicht so herangekommen bin.“ Elternrat: Viele Fragen um medizinische Masken: „Viele Erwachsene wirken müde, die Kinder freuen sich aber, endlich wieder in die Schule gehen zu können“, konstatiert Nancy Hochstein, die Vorsitzende des Kreiselternrates Leipzig. Sie führte rund um die Grundschule in der Bernhard-Göring-Straße viele Gespräche. Wie schon am Wochenende am Telefon! Denn am Freitagabend stand auf der Seite des Blogs vom Kultusministerium plötzlich der Passus, dass die Kinder medizinische Masken tragen müssten. Doch wie soll das übers Wochenende realisiert werden? „Die Schulleitungen schicken aber kein Kind noch Hause, weil es keine OP-Maske auf hat. Die Lieferengpässe sind einfach zu hoch.“ Kein Ansturm im Bauernhofkindergarten: Ansturm sieht anders aus: In den Bauernhofkindergarten Mölkau sind bis 8.30 Uhr nur vier von 47 möglichen Kindern gebracht worden. Leiterin Eva Heller verwundert das nicht. „Bei vorangegangenen Telefonaten mit Eltern haben viele Skepsis und Sorge geäußert“, sagt sie. Für viele sei nicht nachvollziehbar, dass Sachsen beim Wechsel in den Regelbetrieb vorprescht, statt das Ganze schrittweise anzugehen. Dennoch freut sie sich, dass die Schützlinge zurückkommen können. „Auch Kitas sind Bildungseinrichtungen und unglaublich wichtig für das soziale Gefüge unter Kindern“, betont sie. Auch Erzieherin Diana Luft ist froh, dass ihr Arbeitstag ein Stück Normalität bekommt. „Vor allem freue ich mich für die Kleinen. Zuletzt haben wir auch mal per Video unseren Morgenkreis veranstaltet, aber nichts ist so schön wie die echte Begegnung hier bei uns.“ Hoffen, dass die Zahlen nierig bleiben: Marei Lodderstedt findet es toll, dass ihre dreijährige Tochter Maja endlich Freundinnen und Freunde wiedersehen kann. „Das Konzept der Kita ist gut und die Ansteckungsgefahr gering“, sagt sie. Für Eltern markiert eine gartenzaunähnliche Tür im Flur die Schwelle, an der sie nicht vorbei dürfen. Christian Kielwagens vierjährige Tochter ist ruckzuck dahinter verschwunden. Die reguläre Rückkehr in die Kitas hält ihr Vater für „vollkommen richtig. Einerseits werden Kinder sozial extrem eingeschränkt, andererseits können Profi-Fußballer reisen und kicken – das ist extrem ungerecht.“ Auch Eva Heller kann einige Unterscheidungen nicht nachvollziehen. „Außer bei den Friseuren sind so genannte körpernahe Dienstleistungen frühestens ab 7. März möglich. Die treffen bei uns definitiv auch zu.“ Sie hofft nun, dass alles gut verläuft und die Zahlen niedrig bleiben. Freudige Gesichter hinter den Masken: Auch im Leipziger Umland scheint es, als würden sich hinter den Masken der Kinder freudige Gesichter verbergen. Eltern und Kinder beschreiben den Schulstart an der Grundschule Markranstädt vor allem mit einem Wort: Erleichterung. Eine junge Schülerin betritt an diesem Montag als erstes den Schulhof – aus gutem Grund: „Ich halte es zu Hause einfach nicht mehr aus“, sagt sie. Dennoch gibt es differenzierte Betrachtungen: Eine Mutter, sie stellt sich als Melanie vor, hält ihre beiden Kinder an der Hand. Eine Tochter bringt sie in die Schule – ihr jüngeres Kind behält sie weiterhin zu Hause. „Aus Sicherheitsgründen geht die Kleine im Februar noch nicht in die Kita“, berichtet die Mutter. Von Mathias Orbeck, Mathias Wöbking, Florian Reinke und Mark Daniel