Hotel Astoria: Großbaustelle in Leipzigs Mitte liegt seit einem Jahr auf Eis

Eigentlich sollte das Luxushotel Astoria schon vor zwei Monaten eröffnet werden. Nach 24 Jahren Leerstand wäre das ein schönes Happy End für Leipzigs berühmteste Herberge gewesen. Einst betteten dort Stars wie Adele Sandrock, Hans Albers, Klaus Mann, Inge Meysel oder Juri Gagarin ihr Haupt. Zu DDR-Zeiten war es auch Regierungsherberge. Der Festakt zur Gründung der Interhotel-Kette fand 1965 natürlich ebenfalls im Flaggschiff Astoria statt, das unter anderem für seine exquisite Küche gerühmt wurde. Doch schon am 14. Februar 2020 – also genau am Valentinstag vor einem Jahr – ließ das Sächsische Oberverwaltungsgericht alle Träume für eine baldige Wiedereröffnung des Sterns (so heißt Astor übersetzt) platzen. Die Richter in Bautzen setzten die Baugenehmigung der Stadt Leipzig für den 115 Jahre alten Hotelkomplex wegen gravierender Mängel außer Vollzug. Seitdem liegen die Arbeiten vor Ort komplett auf Eis. Mega-Eisblock in den Kellergeschossen? Das mit dem Eis ist leider auch wörtlich zu nehmen. Das Astoria wurde über einem früheren Flusslauf der Parthe errichtet. Der Grundwasserstand an der Gerberstraße liegt so hoch, dass beide Kellergeschosse von Beginn an nur durch permanentes Abpumpen genutzt werden konnten. Nach dem Baustopp vor einem Jahr wurden die Pumpen abgestellt und die Keller wieder überflutet. Auch im Hof, wo der Berliner Investor Vivion schon 2019 alle Wirtschaftsgebäude abreißen ließ, um Platz für ein neues Kongresszentrum mit fünf Sälen zu schaffen, bildete sich ein See. Falls das Wasser nicht vor dem Winter wieder weggezaubert wurde, dürfte jetzt – bei bis zu minus 20 Grad in den Nächten – ein gigantischer Eisblock in den alten Kellern stecken. Zumal auch vom Himmel hoch Schnee und Regen fast ungehindert eindringen können. Die beiden Dachetagen wurden nämlich ebenfalls schon 2019 abgerissen. An der denkmalgeschützten Fassade direkt gegenüber vom Hauptbahnhof sind mittlerweile auch noch Schutzplanen verschwunden. Stattdessen ist auf dem empfindlichen Elbsandstein an dieser Stelle nun ein großes Graffito zu sehen. „Gefahren für die öffentliche Sicherheit gehen von der Baustelle aktuell nicht aus“, teilte das Leipziger Bauordnungsamt am Freitag auf LVZ-Anfrage mit. Statiker des Amtes würden regelmäßig vor Ort kontrollieren. Der Investor habe die Baustelle ordnungsgemäß gesichert, so das Amt. Nachbar legte erneut Widerspruch ein: Rein rechtlich betrachtet, könnte Vivion seit dem 11. Juni 2020 weiterbauen, erläuterte die Behörde weiter. An diesem Tag hatte die Stadt Leipzig bekanntlich eine neue Baugenehmigung erteilt, welche die Mängel der alten (vor allem beim Lärmschutz für das benachbarte Best-Western-Hotel) heilen sollte. Zwar habe der Nachbar auch gegen diese neue Genehmigung Widerspruch eingelegt – das Verfahren liege aktuell zur Entscheidung bei der Landesdirektion Sachsen. Weil das Best Western diesmal aber keine aufschiebende Wirkung beantragte, sei ein Baustart jederzeit erlaubt, so das Bauordnungsamt der Stadt. Ganz exakt gesprochen hatte natürlich nicht der Hotelbetreiber Best Western geklagt, sondern der Eigentümer dieser Immobilie mit 115 Zimmern in der Kurt-Schumacher-Straße 3. Vor wenigen Monaten verkaufte der Eigentümer sein Grundstück jedoch an die Walter Beteiligungen und Immobilien AG aus Augsburg. Diese Holding gehört zu einer Familie, die jahrzehntelang einen der größten Baukonzerne in Deutschland leitete. Bis Walter Bau 2005 in die Insolvenz rutschte und schließlich aufgelöst wurde. Beim Astoria-Eigentümer Vivion in Berlin sagte Sprecher Robert Döring, was er seit Monaten immer sagt: „Wir sind weiter bestrebt, die Bauarbeiten am Hotel zügig fortzusetzen, und stehen diesbezüglich im Dialog mit allen Beteiligten.“ Darüber hinaus könne man derzeit nichts sagen. Stadt weiß nicht, wann die Arbeiten weitergehen: Im Rathaus heißt es zum Thema Dialog mit allen Beteiligten etwas frostig, es liege „keine Baubeginnanzeige zur Wiederaufnahme der Bautätigkeit vor. Es ist nicht bekannt, wann mit den Bauarbeiten wieder begonnen werden soll.“ In Leipzig wird schon lange spekuliert, Vivion hätte bei der Suche nach einem Hotelbetreiber vielleicht zu lange zu hoch gepokert. Wegen der Corona-Krise in der Beherbergungsbranche fände man nun keinen Interessenten, der eine hohe Pacht infolge der teueren Astoria-Sanierung akzeptieren würde. Das zumindest bestreitet Vivion. Als wahrscheinlich gilt dennoch, dass die Sanierung der ehrwürdigen Herberge erst dann fortgesetzt wird, wenn der Betreiber feststeht. Schließlich will ein Unternehmen, das einen gewiss nicht billigen Pachtvertrag mit langer Laufzeit unterschreibt, bei der Ausgestaltung des Hotels mehr als nur ein Wörtchen mitreden. Hoffnung macht gleichwohl, dass in den letzten Tagen große Ketten wie Hilton oder Premiere Inn angekündigt, nach Abklingen der Corona-Pandemie weiter auch in deutschen B-Städten neue Hotels eröffnen zu wollen. Als achtgrößte Kommune der Bundesrepublik steht Leipzig bei den B-Städten sicher in vorderster Reihe. LWB startet im März Bauarbeiten in der Gerberstraße: Schon im nächsten Monat werden überdies in jedem Fall Bauleute in das Astoria-Karree zurückkehren. Denn im März beginnt der kommunale Großvermieter LWB mit der Sanierung seines Wohnblocks in der Gerberstraße 14-16, also genau hinter dem Astoria. Dieser Elfgeschosser stand ebenfalls viele Jahre leer. Bis Ende 2022 sollen dort nun 274 moderne Wohnungen wieder hergestellt werden, so LWB-Sprecherin Samira Sachse. Eine Bilder-Galerie zur Geschichte des Astoria finden Sie unter diesem Link. Von Jens Rometsch