Kanadische Straßenmusiker lieben Leipzig

In der Leipziger Innenstadt musizieren viele Straßenmusiker. Solokünstler und Gruppen, die sich ein Taschengeld erspielen oder bekannter werden wollen. Die Brüder Nate und Hanlan Honeywell aus der Nähe von Vancouver reisen schon seit fünf Jahren um die Welt und machen Musik – auch trotz Corona. Anfangs spielten sie eher Funk-Jazz, mit Keyboard und Schlagzeug, mittlerweile lieber Blues und Rock’n’Roll auf Gitarre. Sie sind schon in Australien, London und Paris gewesen und vor dreieinhalb Jahren das erst Mal in Leipzig. Seitdem zieht es sie immer wieder hierher. „Es fühlt sich an wie ein Zuhause außerhalb von Zuhause“, erzählt Hanlan, der ältere Bruder. Seit September sind sie wieder hier. „In Leipzig gibt es für jeden etwas, die Stadt ist so abwechslungsreich. Wir lieben die Sachsenbrücke, weil da immer etwas los ist.“ Straßenmusiker in Zeiten von Corona: Schon im Frühjahr waren sie in Leipzig gestrandet, als weltweit die Corona-Pandemie los rollte. Hier waren die Beschränkungen nicht so streng wie in den Nachbarländern, erzählen die beiden Brüder. Familie und Freunde wollten sie noch überzeugen zurück nach Kanada zu kommen, aber sie wollten dennoch so gut es geht weiter unterwegs Musik machen. „Als im März und April fast alle Geschäfte geschlossen hatten, war das schwierig“, so Nate. „Wir spielten dann einfach dort, wo die Menschen noch unterwegs waren – vor den Supermärkten“, erzählt er lachend. Im Sommer war es ihnen wieder möglich zu reisen. Für ein paar Wochen waren sie in Freiburg. Dann ging es für Hanlan nach Italien, für Nate nach Mallorca. Die ersten vier Jahre waren sie jeden Tag zusammen unterwegs. „Es ist aber gut zu wissen, dass wir auch alleine klar kommen können.“ Mehr Spaß mache es dennoch zusammen. Das schöne am Straßenmusizieren: Sie lernen andere Musiker kennen und tauschen sich aus. „Auf der Straße ist man auf der gleichen Ebene und kommt viel schneller in Kontakt, als wenn man nach dem Konzert von der Bühne runterkommt.“ Die Liebe zur Musik liegt in der Familie: Die Familie der beiden Kanadier aus der Nähe von Vancouver ist sehr musikalisch. Vater Rice und Onkel Jim spielen seit vielen Jahren in einer Rock- und Bluesband. Onkel Roger ist Opernsänger, Onkel Keith Posaunist und Musiklehrer. Mit fünf Jahren bekamen Nate und Hanlan Klavierunterricht. Später lernten sie Gitarre, Schlagzeug und Bass. „Da war die Musik mehr so ein Hobby“, berichten die beiden. Hanlan fing an zu studieren, arbeitete im Restaurant oder auf dem Bau. Aber nachdem der kleine Bruder Nate mit der Schule fertig war, beschlossen sie vor fünf Jahren zusammen nach Australien zu fliegen. Dort entdeckten sie, dass sie von Straßenmusik leben können. „Geplant war das nicht, das hat sich einfach so ergeben“. Trotzdem wollen sie auf diesem Level bleiben und nicht professioneller werden: „Du bringst etwas von Dir selbst mit, wenn du Straßenmusik machst. Die Leute nehmen das wahr und kommen mit dir ins Gespräch, das ist toll“, schwärmt Hanlan. In normalen Jobs zu arbeiten können sich die beiden momentan nicht vorstellen. Sogar der Vater wurde irgendwann neidisch auf seine Söhne und ihre Art zu leben. Letztes Jahr buchte er ein Flugticket, und sie verbrachten den Sommer zusammen in Europa. Nächste Reiseziele sind in Planung: Weihnachten werden sie wahrscheinlich hier verbringen und hoffen, dass sich die Pandemie-Lage bald verbessert und die Reisebeschränkungen aufgehoben werden. Dann wollen sie weiter in den Süden, nach Griechenland. Das nächste große Ziel: Asien. Japan hat die beiden fasziniert. Von Kathleen Retzar