LVZ-Test: Das sind Leipzigs ungewöhnlichste Restaurants

Leipzigs Gastro-Landschaft ist weit und vielfältig. Dennoch ragen ein paar Orte weit heraus, weil ihr besonderes Ambiente Besucher in Staunen und Begeisterung versetzt. Wir präsentieren fünf der unkonventionellsten und charaktervollsten Lokale. Zum Wilden Heinz: Was gibt’s hier? Zunächst mal: keine Ziege mehr. Der Namensgeber Heinz war ein Bock, der zwei Jahre auf der Fläche des Gartenlokals lebte und Kultstatus ermeckerte, bis er zur Dessauer Ziegenherde zurückgebracht wurde, aus der er stammte – und wo er auch das Zeitliche segnete. Was es hier gibt: das schmackhafte lokale Bier Philippus Bräu, wöchentlich wechselnde Varianten von Pizza aus dem Lehmofen, hausgemachten Kuchen, Flammkuchen und wahnsinnig nettes Personal. Wie fühlt es sich hier an? Gemütlicher und ungezwungener geht es nicht. Ein Hauch von Anarchie weht durch das Gelände. Deshalb bemühen erstmalige Besucher gern den Vergleich, es fühle sich hier an wie in Berlin vor 20 Jahren. Darf man als Kompliment verstehen. Das Besondere? Vor allem die irre Landschaft aus zusammengewürfeltem Mobiliar im Outdoor-Bereich. Fläzen kann man sich auf Europaletten-Sofas, in ein Metallbett, auf Gartenmöbeln und in eine Hollywood-Schaukel. Der Ausschank erfolgt bei gutem Wetter aus einem Holzwagen, abends prasselt ein Lagerfeuer. In der Hütte haben unter aktuellen Bedingungen 30 Gäste Platz. Man kann kickern oder seine Gedanken beim Blick in die Flammen des Kaminofens werfen. Wie schmeckt’s? Das Essen hat hier eine individuelle Note. Auf der getesteten Pizza für 8,50 Euro verteilen sich eine Sugo aus Tomaten, Paprika und Chili, darüber liegen Auberginen und würziges Pastrami-Fleisch, natürlich auch Tomaten und Mozzarella – sehr lecker! Wer wird hier fündig? Alle, die sich im lässigen Ambiente aus zusammengewürfeltem Second-Hand-Mobiliar – das fraglos Stil und Konzept hat – wohl fühlen. Das Publikum ist überwiegend jung und studentisch, darauf reduzieren lässt es sich jedoch keinesfalls. Sternchen: 5 fünf 5 Adresse: Hähnelstraße 22, 04177 Leipzig; www.facebook.com/ZumWildenHeinz Öffnungszeiten: Dienstag ab 18 Uhr, Mittwoch bis Sonntag ab 14 Uhr. Katzentempel: Was gibt’s hier? Sowohl Frühstück als auch eine kleine, feine Karte aus vegetarisch-veganen Gerichten. Wie alles ist auch der Kuchen selbst gemacht. Großen Wert legen die Gastgeber Anne Rüter und Robin Gebauer auf regionale Produkte sowie Nachhaltigkeit. Wie fühlt es sich hier an? Der Raum ist hell und freundlich eingerichtet. An den Wänden hängen großformatige Bilder ehemaliger und aktueller Anwesender auf vier Pfoten, an der Stirnseite leuchtet eine dreigeteilte Installation mit Katzen-Silhouette. Auch wenn das Haus vom seinem Motto lebt, wird nicht jedes allzu naheliegende Wortspiel ausgeschlachtet. Obwohl das „Katerfrühstück“ natürlich auf der Karte steht. Das Besondere? Von jedem Platz aus hat man einen Blick auf die Hauptdarsteller, die den Ort so außergewöhnlich machen: Sechs Katzen klettern, spielen oder faulenzen in einer Mikrostadt aus Kratzbäumen, Überführungen über den Gästeköpfen und Rückzugs-Örtchen. Großes Kino. Die Tiere stammen aus einer Notfall-Rassekatzen-Initiative in Bayern und aus dem Tierheim Delitzsch. Wie schmeckt’s? Beim Besuch kam Kichererbsen-Aprikosen-Curry mit Reis und einem Klecks Sojacreme für 10,90 Euro auf den Tisch. Optisch wie kulinarisch ein Schmaus, weder zu schlapp noch übermütig gewürzt. Wer wird hier fündig? Natürlich Menschen, die jenem charakterfesten Heimtier verfallen sind, dem das hausbackene Pseudonym „Stubentiger“ anhängt. Man muss aber kein Miezen-Freak sein, um das Ambiente zu genießen. Draußen bleiben sollten nur Tierhaar-Allergiker und Hunde. Übrigens, gut für an Zöliakie Erkrankte: Die glutenfreien Speisen sind gekennzeichnet. Sternchen: 5 fünf 5. Adresse: Nürnberger Straße 1, 04103 Leipzig; www.katzentempel.de. Öffnungszeiten: Montag bis Freitag 11 bis 19 Uhr, Samstag 10 bis 20 Uhr, Sonntag und feiertags: 10 bis 18 Uhr. Löwen-Tanke: Was gibt’s hier? Die Löwen-Tanke ist eine außergewöhnliche Kombination aus Laden, Ort für preiswerten Mittagstisch mit gutbürgerlicher Küche, Biergarten und Sportsbar. Wie fühlt es sich hier an? Kein Ort, den man vor überbordender Gemütlichkeit nie wieder verlassen will, aber cool, angenehm und bodenständig. Die rechte Hälfte besteht aus Gaststätte, drinnen wie draußen. Auf der linken Seite überwiegt der Späti-Charakter mit Getränkekästen, Snacks oder Brötchen. Das Personal ist gut drauf. Das Besondere? Die besagte Kombination dürfte in Leipzig ein Unikat sein. An der Theke die Getränkeflasche kaufen und sie direkt am Kneipentisch beziehungsweise im Biergarten leeren – wo gibt’s das sonst? Und wenn gerade Fußball läuft, wartet die obligatorische Chipstüte im Regal. In Sachen Publikum ist der Ort ein Querschnitt durch die Gesellschaft; es kommen Junge wie Alte, Studenten wie Manager, Malocher wie Rentner. Wie schmeckt’s? Die Löwen Tanke ist nicht eröffnet worden, sämtliche Sterne im Guide Michelin abzufassen. Aber Bratwurst, Gulasch und Schnitzel sowie Suppen, Salate und Desserts schmecken so, wie man es erwarten darf. Wie bei Muttern quasi – vorausgesetzt, die stammt aus einem Jahrgang vor der Saiblingsfilet-an-mariniertem-Linsensalat-Generation. Die Fleischlast ist unverkennbar, aber auch Vegetarier werden satt. Wer wird hier fündig? Alle, die Lust auf den konsequenten Gegenentwurf zu Schickimicki haben. Hier geht’s freundlich und unprätentiös zu. Nicht zu unterschätzen: In der Löwen Tanke können auch diejenigen klassisches Kneipengefühl genießen und Sozialkontakte pflegen, die es nicht so dicke haben. Sternchen: 4 fünf 5. Adresse: Jahnallee 11, 04109 Leipzig; www.loewen-tanke-leipzig.de. Öffnungszeiten: Montag bis Donnerstag 9 bis 22 Uhr, Samstag 15 bis 0 Uhr, Sonntag 10 bis 22 Uhr (Mittagstisch: Montag bis Freitag 11 bis 15 Uhr) Barabbas: Was gibt’s hier? Zu empfehlen sind die Biere Spaten Hell und Leffe Blonde. Zu essen gibt es unter anderem Suppen und Knabberzeug, der Knüller ist die Käseplatte. Das Besondere? Das Barabbas, vom Wirt und seinen Gästen wortspielerisch als „Vergebung“ am (Connewitzer) Kreuz betitelt, ist ein düster-romantischer, fast verwunschener Ort. Das Licht kommt aus ungezählten Kerzen, deren Schimmer auf ikonische Figuren, ein Kreuz und Trödel fällt. Gastgeber Andreas Strobel ist ein freundlicher, melancholischer Mensch, dessen gebeugter Rücken für ein Leben steht, das alles andere als gerade verlief. Ein Mann für gute Gespräche, mit klugem Humor und klaren Grundsätzen. Wie schmeckt’s? Die Käseplatte für nur 3,50 Euro ist sehr ebenso schlicht wie Kult und bietet verschiedenste Geschmackserlebnisse. Für Gäste der Vergebung ist sie Kult und ein Muss. Wer wird hier fündig? Wer das Urige und Verschrobene weitab vom gastronomischen Mainstream liebt, darf sich diesen Ort nicht entgehen lassen. Man kann die aufgestellten und -gehängten Utensilien studieren und die Welt da draußen vergessen. Zeit und Geduld mitbringen: Der Wirt agiert mit Liebe und Ruhe. Sternchen: 5 fünf 5. Adresse: Bornaische Straße 33, 04277 Leipzig. Öffnungszeiten: täglich 18 bis 2 Uhr Schnellbuffet Süd: Was gibt’s hier? Alles, was unter „Gutbürgerliche Küche“ firmiert. Hier wird nicht ständig eine neue kulinarische Sau durchs Dorf getrieben, wenn sich die bekannte auf dem Teller bewährt hat. Bulette, Schnitzel, Leberkäse, Grützwurst oder Eintopf gibt’s für die Fleischeslust, Vegetarier werden mit Blumenkohl, Paniertem Käse, Eiern in Senfsoße und weiterem satt. Wie fühlt es sich hier an? Wer (wieder) mal fühlen will, wie das Flair in einer typischen DDR-Kantine war – nix wie hin! Das Interieur atmet die 1980er aus, und das hat einen ungeheuren Reiz. Das Besondere? Man muss kein (N)Ostalgiker sein, um sich wohl zu fühlen in dieser Ausstattung, die 1:1 vom Zeitgeschichtlichen Forum für eine DDR-Ausstellung übernommen werden könnte. Blassbrauner Linoleumfußboden, Möbel aus Pressspan. Die Damen hinter dem Tresen beherrschen alle Spielarten von vorwitzig bis charmant. Schade, dass die Kittelschürzen nicht aus Dederon sind. Das gemütliche Miteinander im Speisesaal und draußen beweist: Das ist mehr als ein Schnellimbiss, sondern ein Treffpunkt. Wie schmeckt’s? Einfaches, deftiges, leckeres Essen in anständigen Portionen. Nach dem panierten, würzigen Käse, der in DIN-A-5-Größe den Kartoffelbrei bedeckt, ist man für 6,40 Euro pappsatt. Wer wird hier fündig? Zum einen Zeitreisende, denen die konsequente Retro-Atmo gefällt. Zum anderen alle, die Schlichtheit und Authentizität dem ästhetischen Effekthaschen anderer Gaststätten vorziehen – und zu günstigen Konditionen satt werden wollen. Sternchen: 5 fünf 5. Adresse: Karl-Liebknecht-Straße 139, 04275 Leipzig; www.facebook.com/Schnellbuffet Öffnungszeiten: Montag bis Freitag 7 bis 22 Uhr, Samstag 11 bis 18 Uhr. Eine Auswahl aus unserer Rubrik „Lecker Leipzig“: So schmeckt japanische Küche in Leipzig Leipzigs beste Burgerläden Vietnamesische Küche in Leipzig Wo gibt es Leipzigs beste Currywurst? Döner im Test: Die beliebtesten Imbisse in Leipzig Die schönsten Biergärten der Stadt LVZ-Gastro-Test: So schmeckt der Orient in Leipzig LVZ-Test: Wo gibt es Leipzigs beste Pizza? Von Mark Daniel