Lehrergewerkschaft kritisiert zu zeitige Schulöffnung für Abschlussklassen

In die Klassenräume in Sachsen sollen nach einem Monat nun die ersten Schüler zurückkehren. Regulärer Unterricht wird hier noch nicht stattfinden. Kultusminister Christian Piwarz (CDU) kündigte jedoch am Mittwoch an: „Wir wollen damit den Schülern, die kurz vor ihren Prüfungen stehen, die Chance geben, sich auf ihren Abschluss gezielt vorzubereiten.“ Einen Katalog mit Maßnahmen sollen die Schulleitungen am Donnerstag erhalten. Die Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft (GEW) in Sachsen hält den Vorbereitungszeitraum für zu knapp und sieht die Schulen vor einer immensen Herausforderung. „Es bleiben den Schulen konkret vier Tage Zeit, um den Maßnahmen-Katalog des Kultusministeriums umzusetzen“, so Ursula-Marlen Kruse, Vorsitzende des GEW. Besonders Berufs- und Oberschulen gefordert: In Gymnasien, Berufliche Schulzentren, Oberschulen und Förderschulen müssen nun die wichtigen Vorbereitungen getroffen werden. So müssen ab Montag die Klassengrößen angepasst, Abstandsregelungen eingehalten und Hygienemaßnahmen umgesetzt werden. „In einigen Schulen wird das nicht möglich sein. Vermutlich wird der gymnasiale Bereich davon weniger betroffen sein, aber bei den Berufs- und Oberschulen sehe ich große Probleme“, führt Kruse aus. Hier könnte die teilweise veraltete Infrastruktur eine Umsetzung der Maßnahmen erschweren. Stattdessen hätte das GEW eine Verschiebung der Prüfungen auf spätere Termine bevorzugt. So hätte das Abitur für alle Schüler auf den zweiten Prüfungstermin Mitte Mai gelegt werden können, um sowohl den Schülern als auch den Schulen eine längere Vorbereitungszeit unter den erschwerten Bedingungen zu ermöglichen. Denn in den nahenden Abschlussprüfungen sieht Kruse ein weiteres Problem. Ungerechte Abschlussprüfungen? „Bildungsungerechtigkeit gab es schon immer, aber durch den Einsatz und die Arbeit der Lehrkräfte in Sachsen konnte sie reduziert werden. Das war jetzt nicht mehr möglich. Eine gute Internetverbindung, ein eigener PC oder die Unterstützung beim Lernen der Eltern haben in den letzten Wochen einen riesigen Unterschied gemacht“, erläutert Kruse. Ohne Internetanschluss oder PC konnten Schüler zuletzt kaum Fortschritte machen, ein wichtiger Faktor in der Wiedereröffnung der Schulen. Kruse: „Ein paar Tage mehr zur Vorbereitung hätten den Schulen auf jeden Fall sehr geholfen.“ Personalmangel durch kleinere Klassen: Eine weitere Sorge des GEW: „Die durchaus wichtige Aufteilung der Klassen wird auch mehr Personal erfordern. Die Lehrer können nicht die Abschlussklassen in der Schule und gleichzeitig die Kinder zu Hause digital unterrichten.“ Hinzu kämen zahlreiche Lehrer, die aufgrund von gesundheitlichen Bedenken aktuell nicht unterrichten könnten – und der grundlegende Lehrermangel. „Wie man es organisatorisch lösen kann, die Risikogruppe der Lehrkräfte langfristig nicht im Unterricht einzusetzen, wird in den kommenden Wochen eine der wichtigsten Aufgaben sein“; vermutet die Gewerkschaftsvorsitzende. Gesundheit der Schüler und Lehrer als Priorität: Gleiches müsse aber auch für gefährdete oder erkrankte Schüler gelten sowieso solche mit gefährdeten Familienmitgliedern. „Die Prüfungen sind sehr wichtig. Aber Abschlussnoten können im Ausnahmefall auch ohne eine solche Prüfung vergeben werden. Im Ernstfall muss unbedingt eine andere Lösung gefunden werden“, so die Kruse. Von Tilman Kortenhaus

Corona in Sachsen - Lehrergewerkschaft kritisiert zu zeitige Schulöffnung für Abschlussklassen