Leipzig: Querdenker-Demo und und Leipzig nimmt Platz auf den Straßen

Welten und Weltanschauungen prallten am Samstagnachmittag auf dem Leipziger Markt aufeinander. Die unter Rechtsextremismus-Verdacht stehenden Gruppierungen Bewegung Leipzig und Querdenken 341 hatten rund 300 Sympathisanten aus dem mitteldeutschen Raum mobilisiert, um gegen die Corona-Schutz-Verordnungen der Politik zu demonstrieren, durch die in unverhältnismäßiger Weise grundlegende Freiheitsrechte der Bundesbürger beschnitten würden, so der Vorwurf. Zur selben Zeit und keine 50 Meter weiter protestierten 150 Anhänger des Aktionsnetzwerkes „Leipzig nimmt Platz“, darunter Autonome und Vertreter der Parteien SPD, Grüne und Linke, gegen die, „die die Demokratie lieber jetzt als gleich mit Füßen treten und abschaffen würden, wenn sie könnten“, wie es hieß. Miteinander geredet haben die beiden Lager nicht. Nur übereinander. Polizei ist schnell zur Stelle: Verfassungswidrige Parolen seitens der Querdenker waren an diesem Tag vorm Alten Rathaus weder zu hören noch zu lesen. Reichskriegsflaggen oder nazistische Symbole gab es auch keine – von der schwarz-weiß-roten Fahne aus Zeiten des Deutschen Kaiserreichs, die ein Mittfünfziger für wenige Minuten schwenkte, einmal abgesehen. Ein Demo-Ordner aus den Reihen der Schutzverordnungskritiker forderte den Mann auf, die Flagge einzurollen. Was dieser nur halbherzig tat, woraufhin einige schwarz gekleidete Autonome, Beobachter der Szene, die Jagd auf den Uneinsichtigen eröffneten. Die sich im Hintergrund haltende Polizei schritt in diesem Fall unverzüglich ein – die einzige Situation im Laufe des Nachmittags, in der ein Gewaltausbruch drohte. Auftritt von Christian Drosten bleibt aus: Der von den Kritikern des deutschen Corona-Krisenmanagements angefragte Berliner Virologe Christian Drosten war nicht in die Messestadt gekommen. Was Ralf Ludwig, Rechtsanwalt aus Leipzig, sehr bedauerte, denn er und seine Mitstreiter wollten einen „Debattenraum schaffen, rechtsoffen und linksoffen“, wie der 48-Jährige betonte. Alle, denen die Demokratie und die Bewahrung der Grundrechte am Herzen liege, sollten miteinander ins Gespräch kommen, warb er, während am benachbarten Stand der SPD die Lautsprecher, die anfangs auf Hochtouren liefen, um die Gegenseite zu übertönen, dann doch noch heruntergeregelt wurden. „Weil wir das Demonstrationsrecht eines jeden respektieren“, wie Holger Mann, der Stadtchef der Leipziger Sozialdemokraten, später etwas kleinlaut betonte. Anwalt lobt seine Mitstreiter: Ludwig, eine Galionsfigur des Widerstandes gegen die von ihm und anderen als Restriktionen empfundenen Maßnahmen von Bund und Ländern während der Corona-Pandemie, erhielt viel Beifall für Sätze wie diese: „Ich finde es ganz stark, wie Ihr Euch beschimpfen lasst, während Ihr für deren Freiheit kämpft“, sagte der Jurist mit Blick auf die Masken tragenden Gegendemonstranten aus den Reihen des Aktionsnetzwerkes. Ludwig & Co. ihrerseits verzichteten darauf, der Empfehlung der Versammlungsbehörde nachzukommen und Mund-Nase-Bedeckungen zu tragen. SPD-Chef erinnert an Artikel 2: Margitta Hollick, Ex-Stadträtin der Leipziger Linken, fehlte für die Veranstaltung von Bewegung Leipzig und Querdenken 341 jegliches Verständnis. Sie unterstützte die Protestaktion des linken Spektrums. „Tut mir leid, gegen Verschwörungstheoretiker will und muss ich Gesicht zeigen. Vorsicht ist und bleibt in diesen Corona-Zeiten oberstes Gebot. Das verlangt schon die Fürsorge gegenüber allen, die Risikogruppen angehören“, sagte die 72-Jährige. Damit traf sie den Nerv von SPD-Stadtchef Mann. Er erinnerte an Artikel 2 des Grundgesetzes: „,Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit.‘ Daran müssen wir uns messen lassen.“ Die Politik wäge bei den Schutz-Verordnungen sehr wohl ab und mache es sich nicht leicht, sagte der sächsische Landtagsabgeordnete. Als Parlamentarier sei er stets gesprächsbereit. „Über Maßnahmen zur Eindämmung von Corona diskutiere ich gern, aber wenn selbst ernannte Verteidiger der Demokratie zum Sturz der Regierung aufrufen, wie unlängst in Berlin geschehen, dann hört der Spaß für mich auf.“ In zwei Wochen wollen sich die Querdenker im Leipziger Zentrum wieder versammeln. Vielleicht reden Protest und Gegenprotest dann mal miteinander – und nicht übereinander. Von Dominic Welters