Leipzig: Simmi bringt den Connewitz-Punk ins Yoga

Routiniert führt Simone Balser, kurz Simmi, ihre Klasse durch die Übungen, erklärt die verschiedenen Figuren ihres Sonnengrußes. „Wirf die Widerstände über Bord“, sagt sie und motiviert die Schüler durchzuhalten und ruhig weiter zu atmen – auch wenn eine Haltung noch so schwierig ist. Ein Blick in die Arbeit von Simmi, die über ihr geliebtes Connewitz spricht und über die Fusion aus Yoga und Punkrock. Viele links-alternative Connewitzer gründen kleine Unternehmen: Seit zwei Jahren ist Simone Balser zertifizierte Yogalehrerin, seit fünf Jahren betreibt sie außerdem eine Catering-Firma. Simmi ist eine von vielen Unternehmern und Unternehmerinnen ihres Viertels. Die Liste ist lang: Vom Geschäft für Tiernahrung, über Bars und Restaurants, bis hin zur bekannten Likörfabrik entspringt so einiges der links-alternativen Szene im Kiez. Viele Leute verwirklichten eigene Projekte, erzählt Simmi, denn „wenn jemand von uns etwas auf die Beine stellen will, findet er auch immer Unterstützung“. Der Zusammenhalt hier sei groß. „Da haben wir einen großen Vorteil im Vergleich zu andern Vierteln in Leipzig.“ Mainstream-Yoga? Nicht mit Simmi! Wie viele Unternehmen aus der Szene, steht auch Simmi nicht für den Mainstream. Sie selbst tritt mit Shirts ihrer Lieblings-Punkbands vor die Yogaklassen, trägt Tattoos und Piercings bewusst zur Schau. Die 38-Jährige bietet außerdem neben klassischem Vinyasa in Reudnitzer, Plagwitzer und Connewitzer Yogastudios auch unübliche Unterrichtsmodelle an. Sie hält nicht viel von „Eso-Quatsch“: Aller drei Monate gibt sie einen Dark-Yoga-Kurs: „Das ist dynamisch-sportliches Vinyasa-Yoga, nur mit richtig lauter – und sagen wir mal ,dunkler’ – Musik“. Im Kurs laufen Stoner Rock, Doom, Metal, Gothik oder Wave. Das Angebot richtet sich an Leute, „die keine Lust auf Mantra-Gesang beim Yoga haben, sondern auf gute Musik“. Die Connewitzerin ist überzeugt: „Man kann auch Yoga zu Slayer machen.“ Simmi ist kein Fan von „Eso-Quatsch“, sagt sie. Diese Meinung teile sie mit vielen Ihrer Kunden. Das typische Connewitzer Miteinander: Eine andere untypische Yogaklasse ist der wöchentliche Soli-Kurs im Hildebrandpark. Dort bietet Simmi Yoga auf Spendenbasis an. Während des Unterrichts ist im Park richtig viel los. Hündin Monty beschützt bellend ihr Revier. Überall spielen Kinder, auf der Wiese sitzen ein paar Grüppchen von Punkern, die sich mit einem Nachmittagsbierchen zuprosten und den warmen Herbsttag genießen. Doch weder die Lehrerin noch ihre Schüler stört das Gewusel um sie herum. Es ist das typische Connewitzer Miteinander. Simmi nennt es das „Du-kannst-alles-machen-was-Du-willst-Connewitz-Lebensgefühl“. Burnout durch politisches Engagement? Simmi ist es wichtig, gerade Connewitzer Linken Yoga anbieten zu können, denn zum einen seien viele von ihnen ehrenamtlich sehr aktiv. „Wenn man schon viel macht und super aktivistisch unterwegs ist, dann überschätzt man sich vielleicht auch: hier die Spendensammlung, da die Demo vorbereiten und dort die Organisation übernehmen. Da kann es schnell zum Burnout kommen“, erzählt sie. „Yoga hilft Körper und Geist in Einklang zu bringen und die eigenen Grenzen kennenzulernen.“ Zum anderen sei es ein gutes Mittel, um dem Unmut vieler Bewohner zu begegnen. „Wir sind alle wütend“, sagt die Yoga-Lehrerin. Man fühle sich von der Polizei gepiesackt. „Die Gentrifizierung macht vielen zu schaffen, die Mieten werden teurer“, erklärt Simone Balser, die eine ähnliche Entwicklung bereits in ihrem früheren Wohnort Berlin-Friedrichshain miterlebt hat. „Ich verstehe die Demos, ich verstehe die Riots (englisch für Unruhe, Aufruhr, Ausschreitung).“ Wut allein bringt Connewitz nicht weiter: Doch Wut allein bringe die Connewitzer nicht weiter, findet Simmi, „vor allem dann nicht, wenn sie in Gewalt umschlägt, wie in den letzten Wochen“. Sie selbst nennt ihren Arbeitsstil „Riotyoga mit Punkrock-Attitüde“. Für sie steht der Begriff auch für innere Power. Wenn man sich mit der eigenen Wut nicht auseinander setze, „ist das für die psychische Gesundheit nicht besonders gut“, erklärt sie. Sie habe durch Yoga ihre Depressionen überwunden. „Es hat mir so viel Kraft gegeben, das möchte ich gerne weitergeben. Diese Energie kann man dann nutzen, nicht um zu funktionieren als Rädchen im System, sondern um für seine Werte einzustehen.“ Connewitzer Linke sind nicht alle Steine-Schmeißer: Simmi geht mit gutem Beispiel voran. Durch ihr Aussehen, ihre Einstellungen und ihr Angebot spricht sie in ihren Kursen eine breite Zielgruppe an, die von Linken, Punks, Liebhabern von Rock- und Metalmusik bis zu normalen Vinyasa-Yoga-Fans reicht. „Durch das gemeinsame Praktizieren von Yoga entsteht ein Gemeinschaftsgefühl.“ Simmi denkt, dass man dadurch Vorurteile abbauen kann. „Denn Connewitzer Linke“, sagt sie, „sind nicht alle Steine-Schmeißer!“ Der nächste Dark-Yoga-Kurs findet voraussichtlich im Dezember im Persilhaus Plagwitz statt. Außerdem sucht Simmi noch ein günstiges Winterquartier in Connewitz für ihren Soli-Kurs. Weitere Infos gibt es hier: riotyoga.de. 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