Leipzig – ein Museum: Stadtspaziergang durch Gohliser Geschichte

Was tun in Leipzig, an einem Wintertag im Dezember? Restaurants, Bars, Cafés – alles zu. Auch Museen sind geschlossen, Weihnachtsmärkte gibt es nicht. Aber die Sonne scheint, der Winter lässt Seen und Teiche zufrieren, auf den Wiesen der Parks liegt morgens der Raureif... Leipzig, mit seiner langen Geschichte und seinen eindrucksvollen Gebäuden, ist sein eigenes Freiluft-Museum. Auf einem Spaziergang durch die Stadt gibt es eine Menge zu entdecken: alte Villen, bedeutsame Plätze, vergessene Ecken – und ganz nebenbei lernt man den Stadtteil besser kennen. Die LVZ startet mit den Stadtviertel-Spaziergängen in Gohlis. Fünf historische Orte in Gohlis – ein städtischer Winterspaziergang: Ehemals kleines Dörfchen, heute ein feiner Stadtteil – mit Ecken und Kanten. Herrschaftliche Villen wechseln sich ab mit kaputten Hausfassaden, breite Straßen führen zu schmalen Schleichwegen und dazwischen kleine Handwerksläden, grüne Fleckchen hier und dort. Eine reichliche Stunde dauert es zu Fuß von einem Eckpunkt zum nächsten zu laufen – überall Geschichte. Der Spaziergänger bekommt schnell Gefühl für diesen Teil von Leipzig – seine familiäre Atmosphäre, seine prunkvollen Fassaden, seine versteckten Ecken. 1. Arthur-Bretschneider-Park: Im Osten von Gohlis, an der Grenze zu Eutritzsch, liegt der Arthur-Bretschneider-Park. Ein Teich, hohe Laubbäume, einige Parkbänke an breiten Spazierwegen – ein erholsames Fleckchen Grün zwischen den Gohliser Wohnhäusern. Auch in der Pandemie lädt der Park dazu ein wofür er mehr als 100 Jahre zuvor angelegt wurde: zum Erholen, zum Laufen oder Rennen, zum Toben auf dem großen Spielplatz. Der Arthur-Bretschneider-Park entstand im wachsenden Leipzig der Jahrhundertwende. Zu dieser Zeit stieg die Bevölkerungszahl rapide an und die Stadt bemühte sich Plätze der Erholung für ihre Bürger zu schaffen. Weil der Park so beliebt war, wurde er um 1913 nach Norden vergrößert und bekam neue Sport- und Spielmöglichkeiten dazu. Die damals angelegten Wegführungen und Gehölzvegetationen sind noch heute so erhalten, wie damals von Gartendirektor Wittenberg geplant. 2. Leipziger Coppiplatz: Vom Arthur-Bretschneider-Park führt die Coppistraße zum Coppiplatz. Es ist eine der größeren Straßen in Gohlis, gesäumt von eleganten Altbauten, bevölkert vor allem von jungen Familien. Auf halbem Weg lädt das Leipziger Eishaus zum Naschen ein – zurzeit nur zum Mitnehmen, versteht sich. Der Coppiplatz liegt ganz in der Nähe. Das ehemalige Dorfzentrum von Gohlis ist heute ein Knotenpunkt des Leipziger Nah- und Fernverkehrs – ein kleines Stück Grün, das fast untergeht zwischen stuckbesetzten Altbauwohnungen und dem hektischen Lärm der umliegenden Straßen. Es ist nicht seine Erscheinung, eher sein Name, der den Coppiplatz besonders macht: In einem Viertel, dessen Straßennamen vor allem vom deutsch-französischen Krieg geprägt wurden, erinnert er an die mutigen Widerstandskämpfer Hans und Hilde Coppi, die sich als Teil der Roten Kapelle den Nationalsozialisten entgegenstellten. 3. Katholische Kirche St. Georg: Nur fünf Minuten entfernt, über die hektische Landsberger Straße am Platz des 20. Juli 1944, liegt die Katholische Kirche St. Georg. Es ist eine kleine Basilika, kompakt, fast unscheinbar, mit einem quadratischen Türmchen in der Mitte. Umgeben ist die Kirche von Grünflächen und einer Mauer mit eisernen Gitterstäben, das kleine Tor an der Ostseite der Kirche bleibt in den Abendstunden verschlossen. Schon 1910 entstand hier ein Kapellenraum, damals noch als Teil einer Schule. Nach langem Ringen um die Finanzierung, wurde dort dann 1922 eine Kirche erbaut, gestiftet vom Bonifatius-Verein, nach den Plänen von Clemens Lohmer. Als Akademiker-Gedächtniskirche ist sie den im Ersten Weltkrieg gefallenen, katholischen Akademikern geweiht. 4. Schillerhaus: Von der Kirche zum Schillerhaus ist es ein längerer Spaziergang. Hier enden die breiten Straßen und die Tour führt auf einen schmalen, unbefestigten Weg, der am Kleingarten-Verein Schreber-Hauschild entlangführt. Es ist ein ruhiges Spazieren zwischen den hohen Hecken, die die Garten-Parzellen vor neugierigen Blicken schützen, und den baumbestandenen Gleisanlagen zu unserer Linken, die eine tiefe Schneise durch den Stadtteil ziehen. Doch auch dieser Schleichweg hat ein Ende und es geht auf die Möckernsche Straße, die geradewegs zum Schillerhaus führt. Fast verschämt schmiegt sich das kleine Häuschen zwischen seine Nachbarn in der Menckestraße. Ein Schild an der Vorderseite des Hauses erzählt uns seine Geschichte: „Hier wohnte Schiller und schrieb das Lied an die Freude im Jahre 1785“. Ehemals ein Bauernhaus, das den jungen Schiller beherbergte, heute ein Stadtgeschichtliches Museum, das nicht nur vom Wirken des jungen Poeten, sondern auch von den gesellschaftlichen Bewegungen des 18. und 19. Jahrhunderts berichtet. Im Garten hinter dem Haus finden regelmäßig Theateraufführungen, Sommerkonzerte und Lesungen statt. 5. Gohliser Schlösschen: Nur eine Querstraße vom Schillerhaus entfernt, liegt das Gohliser Schlösschen. Auf dem Poetenweg nach Süden taucht es auf: Unvermittelt liegt es da, Prunk inmitten gestutzter Wiesen und hoher Laubbäume, vor dem Eingang ein kleiner Brunnen. 1756 als Sommerpalais für Kaufmann Johann Caspar Richter erbaut, ging es über die Jahrhunderte von Besitzer zu Besitzer, bis 2005 der Freundeskreis „Gohliser Schlösschen“ zum Betreiber wurde. Das Schlösschen gilt als Höhepunkt sächsischer Rokokobaukunst und ist heute ein beliebter Ort für kulturelle Veranstaltungen wie Lesungen, Konzerte und Ausstellungen. Ist der derzeitige Lockdown vorbei, lädt auch das schlosseigene Restaurant wieder zum Verweilen ein. In Gohlis gibt es einiges zu entdecken – auch abseits der üblichen touristischen Attraktionen. Der Stadtteil hat eine lange Geschichte, die sich auf einem herbstlichen Spaziergang erspüren lässt. Und wer nach dem vielen Laufen einen Appetit entwickelt hat, schaut vielleicht mal bei der Handwerksbäckerei Kleinert vorbei und gönnt sich, stilecht, eine Leipziger Lerche. Das süße Gebäck erfanden pfiffige Bäcker als Ersatz für die echten Lerchenpasteten, weil 1876 der Lerchenfang aufgrund von Überjagung verboten wurde. Lesen Sie auch: Eine Multimedia-Reportage zu Leipziger Stadtvierteln Von Elisabeth Winkler