Leipzig hebt Garagenpachten drastisch an

Die Stadtverwaltung hat Pachterhöhungen an Hunderte private Besitzer von Garagen verschickt, die auf städtischem Grund stehen. Mit den Schreiben werden die Pachten häufig um hundert Prozent und mehr angehoben. Begründet wird dies vor allem damit, dass die Stadt seit 22 Jahren keine marktübliche Preisanpassung vorgenommen hat. „Das hat mir niemand geschenkt“: Einer der Betroffenen ist Frank Oelsner aus Möckern. Der 76-Jährige besitzt im Garagenhof Hans-Beimler-Straße eine Doppelgarage, in der er sein Auto, einen Anhänger und ein Motorrad abstellt. „Ende der 1960er-Jahre sind dort viele AWG-Häuser entstanden“, erzählt der Senior. Dabei seien auch Lager entstanden, die später als Garagen weiter genutzt wurden. „Mein Vater hatte einen kleinen Handwerksbetrieb und bekam damals von der Stadt eine Zuweisung für zwei Garagen, damit er dort Betriebsautos wie einen B 1000 unterstellen konnte“, berichtet Oelsner. Die Doppelgarage sei 1972 mit dem Handwerksbetrieb seines Vaters enteignet und 1990 auf Oelsners Antrag von der Treuhand rückübertragen worden. „Ich habe alles von der Treuhand zurückerworben“, betont der Rentner, der nach der Wende wieder selbstständig geworden war. „Das hat mir niemand geschenkt.“ Wie hoch ist die ortsübliche Pacht? Diese Doppelgarage gehört ihm noch heute – nicht aber die rund 30 Quadratmeter Boden, auf dem sie steht. Diese Fläche gehört der Stadt und Oelsner überwies bislang für jede seiner beiden Garagen 122,64 Euro Pacht im Jahr ans Rathaus. Durch die aktuelle Pachtanhebung steigt diese Jahrespacht jetzt auf insgesamt 240 Euro netto pro Garage, zuzüglich einer jährlichen Pauschale für Betriebs- und Nebenkosten von 32 Euro – zusammen also auf jährlich 272 Euro pro Garage, insgesamt auf 544 Euro. Zudem hat ihm die Stadt jetzt angekündigt, dass sie ab 1. Januar 2023 auch noch Umsatzsteuer erheben wird. „Das wird dann weitere 51,58 Euro pro Garage ausmachen“, sagt der Garagenbesitzer. Insgesamt kostet ihn dann seine Doppelgarage 647,36 Euro im Jahr. Der Senior stört sich nicht nur an dem gewaltigen Preissprung, sondern auch am Text des Ankündigungsschreibens aus dem Rathaus. „Die Stadt beruft sich auf die Ortsüblichkeit ihrer Pacht, aber sie verrät nicht, wie hoch die ortsübliche Pacht für eine Garagenfläche mitten im Wohngebiet ist, wo weder ein Eigenheim noch eine Kita entstehen können“, sagt er. Auch die Betriebskostenpauschale gibt ihm Rätsel auf. „Die Stadt hat doch keine Arbeit mit uns, wir machen doch hier alles selber“, meint er. „Wir halten den Garagenhof in Ordnung, zahlen unsere Stromrechnungen und reinigen unsere Dachrinnen selber. Es gibt hier keine Betriebs- und Nebenkosten.“ Nur drei Wochen Bedenkzeit: Noch mehr stört Oelsner eine Passage, in der ihm die Stadt eine Kündigung des Vertragsverhältnisses ankündigt, sollte er die beiden zugesandten Exemplare der schriftliche Vertragsanpassung nicht bis spätestens 22. Oktober unterzeichnet zurücksenden. Ihm werde dann „ein Vertragsneuabschluss zu den aktuell ortsüblichen Bedingungen“ angeboten, heißt es nebulös. „Für mich ist diese Drohung eine Unverschämtheit“, sagt er. Auch die rund dreiwöchige Bedenkzeit hält er für viel zu kurz. Den Änderungsvertrag hat er deshalb nur unter Vorbehalt unterzeichnet. Der Rentner hätte sich ein anderes Vorgehen gewünscht. „Die Stadt hätte die Pacht doch auch sozialverträglich jedes Jahr um zehn Prozent anheben können“, sagt er. „Und den Pachtpreis dann bei 240 Euro deckeln können. Das ist doch bei Mieten auch möglich.“ Viele Betroffene seien schließlich Rentner und würden häufig kleine Renten beziehen. „Die reinste Erpressung“: Auch Klaus Siebeneichner aus der Fritz-Siemon-Straße ist der Meinung, die Stadt sollte so nicht mit ihren Bürgern umgehen. „Stellen Sie sich vor, dass ihre Mietzahlung von angenommen 800 Euro auf 1600 Euro erhöht würde“, schrieb er an die LVZ. Für den Schönefelder, dem eine Garage im Garagenhof Fritz-Siemon-Straße 25-41 gehört, ist die Kündigungsandrohung im Schreiben der Stadt „die reinste Erpressung“. Für ihn heiße dies, „wenn Du nicht zahlst, fliegst Du raus“, schreibt Siebeneichner. Auch er fordert, die Pachtanhebung „auf fünf bis zehn Jahre zu strecken“. Die Verwaltung betont, dass das Vorgehen von einem Ratsbeschluss gedeckt ist. Die Ortsüblichkeit der Pacht habe der Gutachterausschuss mit einem Gutachten festgesellt. Und die Betriebs- und Nebenkostenpauschale sei gerechtfertigt, weil „öffentliche und private Lasten“ beglichen werden müssten, „zum Beispiel das Regenwasserentgelt, die Straßenreinigungsgebühr, der Winterdienst und die Grundsteuer des Grund und Bodens“. Die kritisierte Kündigungsandrohung sei „wegen der Komplexität des Schuldrechtsanpassungsgesetz“ notwendig. Nach einer Kündigung werde die Stadt allenfalls noch „über einen Mietvertrag für das Garagenbauwerk nebst zu gehöriger Grundstückteilfläche“ verhandeln. Von Andreas Tappert