Leipziger Arena-Betreiber denken trotz Corona nicht ans Aufgeben

Zeit für ein Gespräch über entgangene Top-Events, Lustgewinne und Umsätze? Ja, haben sie. Sie haben viel Zeit. Coronabedingt. Matthias Kölmel (29) und Philipp Franke (30) sind die Geschäftsführer der ZSL Betreibergesellschaft, vermarkten seit 2017 die Quarterback-Immobilien-Arena, die Festwiese und zweimal pro Jahr die Red-Bull-Arena. Kölmel, Franke und ihre 30 ZSL-Beschäftigten sind seit über sieben Monaten in Kurzarbeit. Sie alle wollen raus aus dem Klammergriff des Virus, zurück zur Normalität. Der 10. März ist der letzte normale Tag für Kölmel, Franke und die gegenüber beheimateten Roten Bullen. James Blunt („You’re Beautiful“) verzückt 7000 Zuschauer in der Quarterback-Immobilien-Arena, zeitgleich beklatschen 40 000 Fans das 3:0 der RB-Fußballer gegen Tottenham. Danach werden die Hallen- und Stadion-Tore fürs Publikum geschlossen. In der 2002 eröffneten riesigen Veranstaltungshalle am Sportforum 2 finden seitdem nur noch Handball, Fechten, Leichtathletik und Schulsport statt. Die ZSL-Geschäftsführer überblicken die Dimension der Angelegenheit zunächst nicht in Gänze. Matthias Kölmel: „Am Anfang dachten wir, dass es im Sommer irgendwie weiter geht.“ Weiter geht mit Howard Carpendale, Roland Kaiser und so weiter. Im Sommer 2020, wohl bemerkt. Es geht nicht weiter, sie müssen das Konzert-Jahr 2020 abhaken. „Wir schwebten auf Wolke 7, dann kam der Absturz“: Die gute Nachricht: Nahezu alle Veranstaltungen werden erhalten, finden zeitversetzt statt. Aber: „Man kann ein Brötchen nicht zweimal verkaufen“, sagt Kölmel, „die Frage ist, was wirklich stattfinden kann.“ Das verflixte siebte Jahr kommt für die beiden jungen Männer, die 2017 den legendären Winfried Lonzen (75/hat über 2000 Konzerte und Events gemanagt) beerbt hatten, vier Jahre zu früh. Kölmel: „Unser erstes Jahr war anstrengend und lehrreich. Es ging ums Reinkommen ins Metier, ums Netzwerken. Das zweite Jahr war stressig und sensationell erfolgreich.“ Das dritte Jahr, Herr Franke? „Bis zum März schwebten wir weiter auf Wolke 7, dann kam der Absturz.“ 100 von 120 Veranstaltungen fallen dem Virus zum Opfer. Das prominenteste und umsatzträchtigste Beispiel: Die Rammstein-Auftritte vom 29. und 30. Mai sind mit über 80 000 Tickets ausverkauft, es ist schon viel Geld in die Vorarbeiten geflossen. Philipp Franke: „Das hat weh getan und tut immer noch weg.“ Die Gesamt-Schmerzen in Zahlen? Nicht Genaues weiß man beziehungsweise erfährt man nicht. Laut Buschfunk fehlen bisher über vier Millionen Euro Umsatz in der Kasse der ZSL Betreibergesellschaft. Rekordminus statt Rekordumsatz. Lesen Sie auch: Arena soll bald anderen Namen erhalten Diese Stars kommen 2020 nach Leipzig Rücklagen? Ja, gibt es. Kölmel: „Die waren vorgesehen, um in Modernisierungen zu investieren, nicht um das Überleben zu sichern.“ Jetzt müssen Büroerweiterung und Umstellung auf ein LED-Lichtkonzept warten. Staatliche Überbrückungshilfen zum Beitrag zur Deckung der Fixkosten gab und gibt es. Wer keinen Klotz am Bein wie die riesige Veranstaltungshalle hat, bekommt nichts. Franke mit Blick über den Tellerrand: „Kleinere Veranstalter haben es deutlich schwerer.“ Hygienekonzept ermöglicht Veranstaltungen mit bis zu 2100 Zuschauern: Vorreiterrolle: Kölmel & Franke haben in Zusammenarbeit mit den DHfK-Handballern ein Hygiene-Konzept ausgearbeitet, das vom Leipziger Gesundheitsamt für gut befunden und von diversen Bundesliga-Konkurrenten adaptiert wurde. Bis zum Heimspiel gegen Göppingen durften 2100 Zuschauer rein in die Bude. Dann wurde mit Blick auf den Inzidenzwert von über 20 (Infizierte pro 100 000 Einwohner) die 999er-Zuschauer-Grenze gesetzt. Kölmel: „Wir sind von unserem Hygienekonzept überzeugt, könnten mindestens bis zu einem Inzidenzwert von 35 gefahrlos bis zu 2100 BesucherInnen empfangen. Darauf sind unsere Maßnahmen und Abläufe ausgelegt.“ Bisher waren knapp 10 000 Zuschauer bei DHfK-(Corona)Spielen dabei. Einen Anruf aus dem Gesundheitsamt in Sachen Infektion(sketten) gab es noch nicht. Ergebnisse der Event-Studie liegen am Donnerstag vor: Studie: Die Ergebnisse der während eines Tim-Bendzko-Konzerts in Leipzig gemachten Testreihen werden am Donnerstag in Halle öffentlich. Kölmel/Franke hatten die Studie in Auftrag gegeben und hoffen, auf wissenschaftlich fundierte und praktikable Ansätze „wie Veranstaltungen in Zeiten wie diesen laufen können.“ Friedenspeife: Die Rauchzeichen von Rapper Apache 207 wabern schon über dem Firmament, die 12000 Tickets waren innerhalb weniger Tage verkauft. An vornehmlich junge Menschen. Viele von ihnen glauben an Unverwundbarkeit und Einhaltung des Termins. Am 21. Januar soll der Apache aufschlagen. In der Quarterback-Immobilien-Arena. Von Guido Schäfer