Leipziger Bäckermeister: „Das Stolle-Geschäft ist das wichtigste“

Die Stimmung in der Backstube könnte besser nicht sein. Chef Dieter Weck und seine Kolleginnen und Kollegen Ilka Güttler, Sybille Nikisch alias Tante S., Falk Geißler und Ronny Schoppe lassen es beim Stolle-Backen verbal krachen. Ein Witz jagt die nächste Zote. Nahezu jede Frotzelei versetzt das Team in Entzücken. Das Wissen um die Beliebtheit der von ihnen produzierten Nahrungsmittel fördert die gute Laune bei Weck & Co. noch zusätzlich. Mit anderen Worten: In der Stötteritzer Arnoldstraße 30 ist freudbetontes Arbeiten in diesen Tagen garantiert. Ein Abnehmer lebt in Japan: Das passt, denn die Zeit vor Weihnachten ist wichtig, sehr wichtig. Eine der beliebtesten Backwaren der Menschen hierzulande hat gerade Hochkonjunktur. Von der Butter-Rosinen-Stolle made by Weck, seit Mitte Oktober im Angebot, heißt es in „Strietz“ (so nennen Stötteritzer Stötteritz), sie sei die Beste weit und breit, wenn nicht sogar die Beste auf der ganzen Welt. Und in die weite Welt wird der brotförmige Kuchen aus fettreichem, süßen Hefeteig tatsächlich verschickt. Ein Abnehmer lebt in Japan. „Das Stolle-Geschäft ist das wichtigste im Jahr, es ist existenziell für uns“, sagt der 46-jährige Weck, seit 2001 Bäckerei-Inhaber. „Damit kompensieren wir die eher mauen Einnahmen während des mal wieder ziemlich heißen Sommers.“ In der warmen Jahreszeit gehe meistens deutlich weniger über die Ladentheke als im Frühling, Herbst und Winter. „Vor allem nachmittags passiert im Sommer nicht mehr viel“, schildert Weck. Das Rezept wandert von Mann zu Mann: Das Rezept zum Top-Gebäck hat der Mann, der 1995 Konditorgeselle wurde, von seinem letzten Arbeitgeber Helmut Drygalla übernommen. Der wiederum erhielt es ebenfalls vom Laden-Vorbesitzer. Das Geschäft in der Arnoldstraße gibt es seit den 1930er-Jahren. Seither gilt die „Strietzer Stolle“ vor allem als besonders feucht. Die dazugehörige Formel klingt aus dem Munde von Bäckermeister Weck ziemlich griffig und besteht aus fünf Wörtern: „Sie muss wie Marzipan sein.“ Nur ein einziges Detail des Erfolgsrezeptes gibt er preis: „Wir reduzieren die Backzeit ein bisschen.“ Und wie lange genau stehen die guten Stücke unter Feuer? „Wird nicht verraten. Ist Betriebsgeheimnis“, sagt Weck. Und weist auf zwei weitere kulinarische Hits aus seinem Hause hin: die Mandel-Stolle, die seit wenigen Tagen ausliegt, und die Mohn-Stolle, die erstmals kurz vor dem 1. Advent in den Ofen aus Schamottstein kommt. „Mit ehrlicher Arbeit punkten“: Die wirtschaftliche Lage für eine kleine Bäckerei wie die Wecksche ist nicht einfach, sie war es zuletzt nie. Auch in Stötteritz haben sich in den zurückliegenden Jahren bekannte Ketten niedergelassen, deren Filialen immer auch kleine Cafés sind. Damit kann der Bäcker aus der Arnoldstraße nicht aufwarten. Würde in Zeiten des Teil-Lockdowns eh nichts bringen. „Wir wollen mit ehrlicher Arbeit punkten“, sagt der Chef. „Bei uns geht jede Semmel durch die Hand.“ Extrem beliebt sind die Doppelbrötchen, die er und seine Kolleginnen und Kollegen backen. Da wird nicht mit Blechen, sondern mit Abzugsband gearbeitet. Was den Vorteil hat, dass die Ware lange frisch bleibt. Einbußen halten sich in Grenzen: Die Corona-Pandemie hat auch bei den Wecks ihre Spuren in der Kasse hinterlassen. Doch die Einbußen waren bei den 60 Leipziger Bäckereien und Konditoreien im Frühjahr bei Weitem nicht so groß wie bei den Gastronomen. Das bestätigt auch Innungsobermeister Jens Herzog aus Markkleeberg. „Problematisch war es in den Unternehmen mit angeschlossenem Café-Betrieb und bei den Kollegen, die beispielsweise für Kantinen und Restaurants backen. Für die wird der jetzige Teil-Lockdown sicher wieder nicht leicht.“ Doch Klagen auf hohem Niveau, das liegt Herzog fern: „Gegessen wird schon noch. Wir Bäcker werden es überleben. Auch wenn das Ersparte hier und da weg sein dürfte.“ Von Dominic Welters