Leipziger Gleisdreieck bekommt Konzerthalle und Freiluft-Theater

Die Zahlen, die die Leipziger Club- und Kulturstiftung am Montag zu ihrem Projekt Gleisdreieck mitteilte, verblüfften dann doch. Auf stolze 18 Millionen Euro werden aktuell die Kosten für die Umwandlung des früheren Bahnkraftwerks in der Arno-Nitzsche-Straße 39 zu einem Zentrum für Musik und Kunst geschätzt. Zwischen 300 und 400 Kreative sollen dort künftig eine ideale Wirkungsstätte finden. Nur eine Ratsfraktion stimmte dagegen: Anlass einer Pressekonferenz der Stiftung am Montag war ein Stadtratsbeschluss aus der vergangenen Woche. Mit 45 zu 10 Stimmen hatte die Ratsversammlung für das Erarbeiten eines Bebauungsplans votiert, der die ganzen zwölf Hektar innerhalb des Gleisdreiecks Marienbrunn umfassen wird. „Nur die AfD stimmte dagegen. Das ist uns auch ganz lieb so, denn mit denen wollen wir eh nichts zu tun haben“, sagte Stiftungsvorstand Steffen Kache, der in Leipzig als Chef des ältesten ostdeutschen Techno-Clubs Distillery bekannt ist. „Allen demokratischen Fraktionen sind wir hingegen sehr dankbar für ihren Beschluss.“ Wie die LVZ im August 2019 exklusiv berichtet hatte, taten sich die Distillery, der studentische TV-Club und die Galerie KUB zusammen, um in den 1905 erbauten Bahn-Gebäuden einen dauerhaft sicheren Kulturstandort zu schaffen. Die beiden Clubs müssen ihre bisherigen Standorte im Jahr 2022 räumen, weil dort Wohngebiete geplant sind. Über die Stiftung wurde das 1,2 Hektar große, frühere Braunkohlekraftwerk der Bahn als neuer Standort erworben. Zuvor war das Areal von Hausbesetzern als „Black Triangle“ genutzt worden. Anfang 2019 setzte dem aber die Polizei auf Betreiben der Bahn ein Ende. Aus dem Umzugsvorhaben der Clubs sei mittlerweile ein Stadtteilentwicklungsprojekt geworden, erläuterte nun Jan Georgi vom TV-Club. Da in direkter Nachbarschaft auch eine neue Firmenzentrale der Leipziger Stadtwerke und eine Großsporthalle entstehen sollen, sei es nur richtig, dass die Stadt und die Bahn bereits über den Bau eines neuen S-Bahn-Haltepunktes „Marienbrunn“ an der Westseite des Gleisdreiecks und über zwei Brücken im nördlichen Bereich sprechen. Die Einbindung ins Rad- und Fußwege-Netz müsse bei dem Bebauungsplan-Verfahren ebenso eine Rolle spielen wie der Erhalt der vorhandenen Wohnungen und Gärten, zu welchem die Club- und Kulturstiftung ohne Abstriche stehe. Nach mehreren Workshops habe die Stiftung gerade ein 48 Seiten starkes Konzept für ihr Projekt fertiggestellt. Demnach sollen auf den etwa 5000 Quadratmetern Nettoflächen in den Gebäuden zwei Musikspielstätten für den TV-Club und die Distillery entstehen, außerdem Ausstellungsflächen, Ateliers mit internationalem Residenzprogramm, Probebühnen für verschiedene Kulturprojekte, Bandproberäume und Studios, Startups und Label aus den Bereichen Musik, Kunst, Kultur. Des Weiteren seien Räume für Jugendarbeit, Vereine und Seminare vorgesehen, Werkstätten und Gastronomie. Zentrales Element und pulsierendes Herz werde eine Konzert- und Eventhalle, die wegen ihres Aussehens den Namen „Kathedrale“ erhält. Dieser multifunktionale Raum in der historischen Fertigungshalle stehe allen Gleisdreieck-Nutzern für ihre Veranstaltungen zur Verfügung, betonte Georgi. Sommerkino, Stadtgarten und Spielplätze: Von den 6000 Quadratmetern Außenfläche solle ein Teil für Open-Air-Veranstaltungen – wie Sommerkino und Theater – hergerichtet werden. Auch Musikspielstätten, Sportflächen (wie Beachvolleyball-, Basketball- oder Bolzplatz), ein ökologischer Stadtgarten, ein Kinder- und Erwachsenenspielplatz, Ausstellungsflächen und mobile Werkstätten fänden dort Platz, hieß es weiter. „Viele freiwillige Helfer haben in den letzten Monaten das Gelände beräumt und schon erste Notsicherungen umgesetzt“, erläuterte Kache. Er versicherte, dass auf dem Areal künftig auch tagsüber viel Leben herrschen solle und dennoch Wege gefunden würden, um den Lärmschutz für die Nachbarn einzuhalten. In zehn Tagen finde ein weiteres Treffen mit Anwohnern statt. Ziel sei obendrein, ein völlig klimaneutrales und ökologisch beispielhaftes Musikzentrum zu schaffen. Die hohe Anschubfinanzierung des später kostenneutral laufenden Projekts solle auf drei Säulen ruhen: Kredite, Spendenaktionen und Fördermittel – Letztere vor allem aus Berlin. Die Initiatoren sähen Chancen, für die Gründung eines mitteldeutschen Musik-Hubs auf dem Gleisdreieck doch noch erhebliche Summen aus dem Braunkohle-Ausstiegsfonds des Bundes zu erhalten, so Kache. „Hier soll ein Kreativhotspot mit einer weit über Leipzig hinaus sichtbaren Leuchtturmfunktion entstehen.“ Zudem habe man sich über das LiveKommbinat Leipzig vor Kurzem an Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) gewandt und um Unterstützung für den Erhalt der Club-Kultur gebeten. Von Jens Rometsch