Leipziger Professor nimmt Guttenbergs neue Doktorarbeit auseinander

Neun Jahre ist es her, dass Karl-Theodor zu Guttenberg als Bundesverteidigungsminister zurückgetreten ist. Der Grund war seine Doktorarbeit an der Universität Bayreuth, die sich als Plagiat erwiesen hatte. 23 strafrechtlich relevante Urheberrechtsverletzungen wies die Staatsanwaltschaft zu Guttenberg in dessen Arbeit nach. Nun hat der 49-Jährige ein zweites Mal promoviert – an der Fakultät für Wirtschaft, Recht und Kunst der englischen Southampton Business School. Als Thema wählte zu Guttenberg die Geschichte von Korrespondenzbanken, also des bargeldlosen Zahlungsverkehrs. Das Nachrichtenmagazin „Spiegel“ hat kürzlich einen Experten damit beauftragt, sich die Arbeit anzusehen: Markus A. Denzel, Professor für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte an der Universität Leipzig. Ein Plagiat hat Denzel, dessen Werke zu Guttenberg in seiner Arbeit mehrfach zitiert, nicht entdeckt. Dafür viele andere Ungereimtheiten. „Ein vollkommenes Rätsel“: Im Interview mit dem „Spiegel“ kritisiert Denzel zunächst zu Guttenbergs Doktorvater. So sei der gebürtige Bayer Richard Werner „bestimmt ein angesehener Volkswirt“, jedoch kein ausgewiesener Experte zum Thema der Arbeit. „An einer deutschen Universität wäre so etwas eine fachfremde Beurteilung“, so Denzel. Dass Guttenberg ihn wählte, sei ihm „ein vollkommenes Rätsel“. Weiterhin zeigt sich der Leipziger Professor „irritiert“ über zu Guttenbergs Literaturauswahl, die „überraschend einseitig“ sei. Obwohl es viel deutschsprachige Fachliteratur gebe, zitiere Guttenberg fast nur aus englischsprachigen Quellen. „Das ist merkwürdig“, sagt Denzel. „Als wenn ein Angelsachse die Arbeit geschrieben hätte.“ Ist Guttenbergs Doktorarbeit gar keine Doktorarbeit? Am meisten ärgert Denzel, dass zu Guttenberg seine Arbeit als bedeutungsvoller verkaufen wolle, als sie es tatsächlich sei. „Die Arbeit ist kein großer Wurf – doch der Verfasser versucht, diesen Anschein zu erwecken“, so Denzel. „Das ist ärgerlich.“ Als Beispiel nennt er den Titel des vierten Kapitels: „Eine Neue Geschichte des Korrespondenzwesens – von Babylon bis Florenz.“ Denzel glaubt, dass das Kapitel den bisherigen Forschungsstand „allenfalls in Nuancen“ ergänze. „Der Verfasser hat nur Literatur zusammengetragen“, so Denzel. „Trotzdem stellt er es so da, als werde die Geschichte neu geschrieben. So etwas ärgert mich.“ Wenn zu Guttenbergs neue Doktorarbeit also keine neuen Erkenntnisse liefert – darf sie dann überhaupt als Doktorarbeit bezeichnet werden? Oder müsste auch zu Guttenbergs zweite Promotion revidiert werden? Darüber möchte Denzel nicht urteilen. „Das hatte die Fakultät in Southampton zu entscheiden“, so der Leipziger. Von Josa Mania-Schlegel