Leipziger Stadtgeschichte rund um die Uhr online

„Geteiltes Wissen“ kommt vielen zugute. Das sagt sich auch das Stadtgeschichtliche Museum, das einen Großteil seiner Sammlungen in einer Online-Datenbank bereitstellt. So kann die Stadtgeschichte quasi weltweit rund um die Uhr recherchiert werden. „Für uns ist es schön, wenn wir im wissenschaftlichem Austausch stehen, unsere Bestände gefragt sind und selbst zum Anlass für weitere Forschungen werden“, sagt Direktor Anselm Hartinger. Dabei agiert das Museum im Vergleich zu anderen sehr vorbildlich. Eine weit verzweigte Maler-Familie: Museen sind längst kein „heiliger Ort“ in einer abgeschotteten Welt mehr. Das kommt auch Studenten zugute. Kunsthistorikerin Martina Sitt, die an der Kunsthochschule Kassel eine Professur für Mittlere und Neuere Kunstgeschichte innehat, forschte beispielsweise rund um Netzwerke des Leipziger Malers Johann Friedrich August Tischbein (1750-1812), der Direktor der Akademie in Leipzig war. „Die ganze Leipziger Gesellschaft wollte sich bei ihm porträtieren lassen. Da kann man die Beziehungen einzelner Familien erforschen, wie sie befreundet, verschwägert oder untereinander vernetzt sind“, so die Professorin. Die Maler-Familie ist weit verzweigt, es gibt auch einen „Kasseler Tischbein“ sowie einen „Goethe-Tischbein“, der mit seinem Porträt „Goethe in Campagna di Roma“ der berühmteste der Familie wurde. Briefe, Möbel, Theaterzettel – aus vielen Eintragungen in der Datenbank können neue Erkenntnisse und Bezüge gewonnen werden. „Unsere Datenbank spart viel Archivarbeit“, sagt Hartinger nicht ohne Stolz. Mehr als die Hälfte der Sammelobjekte erfasst: Das Museum besitzt etwa 600 000 Sammlungsobjekte, 370 000 sind in der Objektdatenbank erfasst. Dass die Leipziger Institution so beispielgebend ist, hat sie auch der Arbeitsagentur Leipzig zu verdanken. Sie stellte seit Projektbeginn 1998 etwa 120 Leute über Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen bereit, die das umfangreiche Projekt hochmotiviert unterstützten. 2012 war dann aber Schluss, als es keine ABM mehr gab. „Noch nicht erfasst ist ein Großteil unserer Dokumentensammlung. Es zwar alles vorsortiert, die Erfassung ist aber sehr zeitaufwändig“, sagt Michael Stephan, der Leiter Zentrale Dokumentation. Von 1200 Dokumentenkartons sei etwa die Hälfte bearbeitet. Das Museum will auch Lehrer und Schüler ansprechen, die ergänzendes Unterrichtsmaterial für Geschichte, Kunst oder Musik online abrufen können. Das Angebot richtet sich sowohl an Wissenschaftler sowie interessierte Laien, die es schon aktiv nutzen. Dabei kommen im Museum etwa 2000 Anfragen pro Jahr an. Viele davon übrigens aus dem skandinavischen Raum, aber auch aus den USA. „Dabei geht es oft um die Leipziger Musikgeschichte sowie historische Stadtansichten, Grafiken und DDR-Plakate“, erklärt Stephan. Und selbstverständlich sind viele Familienforscher dabei. Natürlich: Die Datenbank ist Fluch und Segen zugleich. Wer viel teilt, interessiert Menschen, die mit neuen Fragen kommen. Das wiederum ist ganz im Sinne der Forschung. Virtuelle Ausstellung geplant: „Als Museum müssen wir uns immer wieder technisch neu erfinden, schauen, was mit unseren Sammlungen möglich ist und wie wir unseren Vorsprung ausbauen können“, betont Hartinger. Dies könnten künftig auch virtuelle Ausstellungen sein, um neue Nutzer-Generationen zu interessieren. Ein Projektantrag bei der Kulturstiftung des Bundes ist gestellt. „Wir möchte da gemeinsam mit dem Naturkundemuseum arbeiten“, so Stephan. Von Mathias Orbeck

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