Martin Gräfe ist Leipzigs neuer Sportbäder-Chef – und steht kurz vor dem Stresstest

Er sieht sich selbst ein wenig „als Inventar“. Martin Gräfe ist beileibe kein Neuling bei den Leipziger Sportbädern. Beim Sport- und Bäderamt der Stadt absolvierte er 1997 seine Ausbildung zum Fachangestellten für Bäderbetrieb. Heute leitet der gebürtige Leipziger die Firma, die seit 2004 im Auftrag der Stadt acht Schwimmhallen und fünf Freibäder betreibt, als alleiniger Geschäftsführer. Der 39-Jährige trat seinen Dienst als Nachfolger der Ruheständler Joachim Helwing und Brigitte Teltscher inmitten der Corona-Krise an. „Das hätte ich mir anders vorgestellt“, sagt Gräfe, der zuletzt zwölf Jahre lang als Leiter Bäderbetrieb viel organisieren musste – so auch rund um den 18. März 2020, als die Sportbäder schweren Herzens geschlossen werden mussten. „Im Nachhinein ist es einfach und nachvollziehbar. Doch damals überschlugen sich die Ereignisse. Die Diskussion war schwierig, da wir ja sowieso hohe Hygienestandards haben. Was wollen wir da erhöhen?“, so Gräfe, der als Rettungsschwimmer die Passion für seinen späteren Beruf entdeckte, eine Meisterausbildung sowie nebenberuflich ein BWL-Studium absolvierte. Mitten in der Debatte hatte Halle als erste Großstadt den Bäderbetrieb ausgesetzt, Leipzig zog nach. Für viele der 135 Mitarbeiter bedeutete das Kurzarbeit, Abbau von Überstunden und auch Minusstunden. Ein wenig Normalität zurück: Mittlerweile ist ein wenig Normalität zurückgekehrt. Nach den Freibädern, in denen 60 weitere Saisonkräfte arbeiten, haben seit dieser Woche auch die Leipziger Schwimmhallen wieder geöffnet – mit strengem Hygienekonzept. „Die Leute haben viel Verständnis, dass momentan kein normaler und unbeschwerter Betrieb möglich ist und viele Regeln einzuhalten sind“, konstatiert Gräfe, der mit seiner Familie und den zwei Kindern in Großpösna wohnt. Noch vor einem Jahr hätte es bei solchen Beschränkungen einen Riesenaufschrei gegeben, ist er sich sicher. Jetzt sind alle froh und dankbar, überhaupt ins Wasser zu dürfen. Dabei haben die Freibäder und Hallen ihren Stresstest noch vor sich, bis dato ist es noch ruhig. „Selbst am vergangenen Sonnabend mussten wir niemanden wegschicken“, erklärt Gräfe. Denn die Anzahl der Gäste, die ins Freibad dürfen, ist begrenzt. Beim Schreberbad beispielsweise sind es 800 Menschen. In den Hallen ging es diese Woche verhalten los – dort sind der Betrieb für mehr als 100 Sportvereine ebenso zu organisieren, wie das öffentliche Baden und Kurse wie Gesundheits- oder Reha-Sport. „Da kommt uns momentan zugute, dass im Juni und Juli ohnehin weniger Badegäste kommen.“ Saunen bleiben weiterhin geschlossen, das Schulschwimmen ist bis Ende des Schuljahres ausgesetzt. Die Öffnungszeiten der Hallen sind in der Freibadsaison ohnehin eingeschränkt. Das Hygienekonzept sieht vor, dass die Anzahl der Besucher und Trainingsgruppen beschränkt wird. So dürfen maximal 7 Personen auf eine 25-Meter-Bahn, höchstens 14 auf eine 50-Meter-Bahn. Im Sportbad an der Elster könnten „im Normalfall“ doppelt so viele in die Halle, da ja auch ein Wechsel stattfindet. Doch auch in den Sanitär- und Umkleidebereichen sind Abstände einzuhalten, der Reinigungszyklus wird verstärkt. Viele Herausforderungen warten: Derzeit kann auf Online-Reservierungen verzichtet werden. Diese kurzfristig zu ermöglichen, wäre für die Sportbäder ein Kraftakt gewesen. „Unser Kassensystem werden wir dennoch auf den Prüfstand stellen und modernisieren. Dann werden auch Online-Buchungen möglich sein, das haben wir uns ohnehin vorgenommen“, kündigt der Geschäftsführer für 2021 an. Gegenwärtig seien alle aber noch im Krisenmodus, um die Corona-Herausforderungen zu meistern. 2020 sei es wieder gelungen, genügend Saisonkräfte einzustellen, doch das werde immer schwieriger. Auch in vielen Halle stehe ein Generationswechsel an. Gearbeitet wird natürlich an der Weiterentwicklung der Schwimmhallen, wo Leipzig gerade einen Tiefschlag einstecken musste: Der Freistaat Sachsen hat Fördermittel gestrichen – damit wackelt zumindest der Baustart im Jahre 2021 für die neue Schwimmhalle Ost am Otto-Runki-Platz (die LVZ berichtete). Die Planung laufe aber weiter. Daran ist auch Vorgänger Helwing als Berater beteiligt. „Eine Finanzierung ohne Sportfördermittel ist für Leipzig so nicht zu schultern. Zumal es durch die Corona-Krise überall finanzielle Verwerfungen gibt.“ Gräfe bleibt aber optimistisch, ein Finanzierungsmodell hinzubekommen – die Nachfrage nach Schwimmflächen in Leipzig ist riesig. Die Schwimmhalle auf dem Otto-Runki-Platz sei ebenso nötig wie die im Süden. „Wir haben eine klare Aufgabe aus dem Sportprogramm. Die möchten wir gerne erfüllen“, so Gräfe. Lesen Sie auch: Leipzigs städtische Hallenbäder öffnen ab Montag Freistaat: Kein Geld für Schwimmhalle Ost und Sporthalle West Leipzig erteilt Prüfauftrag für neue Schwimmhalle auf Stadtwerke-Areal Fotoshooting fürs Freibad – Leipziger Sportbäder suchen schon jetzt Saisonkräfte Berühmtes Architekturbüro gewinnt Wettbewerb zur neuen Schwimmhalle Ost Von Mathias Orbeck