Wie rollt der Verkehr in Leipzig im Jahr 2030?

Es sollte „eine der letzten Pressekonferenzen“ von Baubürgermeisterin Dorothee Dubrau (parteilos) werden. Es ging um ein Thema, das die Fortschritte in der Leipziger Verkehrsplanung während ihrer siebenjährigen Amtszeit noch mal gut hätte zusammenfassen können. Doch die gut einstündige Veranstaltung am Mittwoch im Neuen Rathaus endete mit einem Fiasko. Einladung klang spannend: Journalisten protestierten, dass sie bei der Veranstaltung so gut wie nichts Konkretes erfahren hätten. Kommunikationsprofis der Stadtverwaltung zeigten sich ratlos. Dabei hatte die Einladung spannend geklungen: „Die Stadtspitze legt jetzt den Rahmenplan zur Umsetzung der Mobilitätsstrategie 2030 vor. Dieser zeigt konkrete Vorhaben und Maßnahmen auf, um das vom Stadtrat beschlossene Nachhaltigkeitsszenario zu verwirklichen.“ Im September 2018 war dieses Szenario sogar einstimmig vom Rat beschlossen worden. Demnach soll bis zum Jahr 2030 der private Autoverkehr von 40 auf 30 Prozent sinken, der Wirtschaftsverkehr aber stabil bleiben. Das Modell setzt Investitionen von über einer Milliarde Euro voraus. Die Zahl der Fahrgäste der Leipziger Verkehrsbetriebe (LVB) müsste von 156 auf 220 Millionen pro Jahr wachsen. Der Radverkehr nimmt von 18 auf 23 Prozent zu. Keine Infos zum Inhalt: Dubrau sowie Michael Jana, der Leiter des Verkehrs- und Tiefbauamtes (VTA), erklärten nun, dass mit dem neuen Rahmenplan auf über 100 Seiten erstmals alle Einzelkonzepte zu dem riesigen Themenbereich zusammengefasst wurden. Das reiche etwa vom Green-City- über den Radverkehrs- und Nahverkehrsplan bis zum Straßen- und Brückenbauprogramm. Dabei habe es auch Veränderungen gegeben. Nur welche? Das verrieten sie nicht. Stattdessen sprachen sie über die Entstehungsgeschichte und allgemeine Ziele. Zu den Inhalten verwiesen sie nur auf den Rahmenplan selbst, der den Journalisten nicht vorlag. Nach technischen Problemen wurde er dann zum Ende der Pressekonferenz im Internet veröffentlicht. Sinnvolle Nachfragen waren daher unmöglich. Immerhin sagte Jana zu den Straßenbaustellen, dass allein bei den „Komplexmaßnahmen“ in den nächsten vier Jahren 117 Millionen Euro von den LVB und 70 Millionen Euro von der Stadt/VTA investiert werden sollen. Bis 2024 kämen weitere Baustellen mit einem Volumen von 140 Millionen Euro bei der Stadt und 30 Millionen Euro bei den LVB hinzu. „Bis 2024 sind davon 12,5 Millionen Euro für Fußgängerwege und 17 Millionen Euro für Radverkehr vorgesehen.“ Förderprogramm auf Eis: Der Rahmenplan selbst enthält zehn Handlungsfelder und sechs Querschnittsthemen. Zu Letzterem gehört zum Beispiel die mit vielen Fragezeichen gekoppelte Finanzierung – so hat laut Jana der Freistaat Sachsen sein Förderprogramm zum Straßen- und Brückenbau auf Eis gelegt. Zu den zehn Handlungsfeldern nennt das rund 100-seitige Papier unter anderem folgende Beispiele: 1) Sicherheit: Nach gehäuften tödlichen Unfällen und zunehmender Aggressivität im Straßenverkehr startet die Stadt noch 2020 eine Werbekampagne zur Verkehrssicherheit. Kosten: 600 000 Euro. Die Verkehrsunfallkommission und die Verkehrswacht erhalten mehr Geld. 2) Fußgänger: Gebiete wie die erweiterte City, Stötteritz und Mölkau bekommen Fußverkehrskonzepte, ganz Leipzig ein Fußwegenetz-Konzept und außerdem „Orte mit hoher Bedeutung für Alltagswege“ schön gestaltete Flaniermeilen. 3) Radfahrer: Der Radverkehrsentwicklungsplan wird für 80 000 Euro fortgeschrieben. Da der Aufbau einer Station für 2000 Räder im Hauptbahnhof nicht voran kommt, soll eine Studie für 50 000 Euro geeignete Standorte finden. Nach dem Radschnellweg über Schkeuditz nach Halle sollen weitere in die Umgebung (Markranstädt, Markkleeberg, Naunhof, Taucha) untersucht werden. Kosten: 100 000 Euro. 4) Bahnen und Busse: Die S-Bahn nach Grünau fährt ab 2022 im 15-Minuten-Takt. Bis 2024 werden keine neuen Straßenbahn-Strecken fertig, jedoch 38 weitere XL-Bahnen sowie große Gelenkbusse für mehr Kapazität sorgen. Taktverdichtungen betreffen die Linien 7, 14, 70, 89. Flexible Angebote soll es vermehrt am Stadtrand geben. Planungen zur Erweiterung des Straßenbahnnetzes laufen für den Promenadenring und mehrere Magistralen, die Südsehne am Schleußiger Weg, Thekla-Süd, Herzklinikum, Wahren. Nach 2024 sollen alle Busse mit Elektroantrieb und auch breitere Straßenbahnen (2,40 Meter) fahren. Das S-Bahn-Netz wird kräftig ausgebaut. 5) Wirtschaftsverkehr: Für die „Logistik der letzten Meile“ entstehen fünf bis zehn Micro-Hubs. Auch eigene Lade- und Lieferzonen sind – wenn rechtlich zulässig – geplant. 6) Pendler: Die Zusammenarbeit mit Umland-Kommunen wird verbessert – Grundlage ist eine „integrierte Mobilitätsstudie“. Der Masterplan Mobilität Nordraum und mehr Park&Ride-Plätze sollen Verkehrsströme lenken, nach 2024 erfolgt ein „Ausbau der Straßenbahn bis in die Umlandgemeinden“. 7) Management: Der ÖPNV erhält eine „Beschleunigungskonzeption“, das Ampel-Programm Chamäleon und Forschungsprojekte zu fahrerlosen Bussen laufen weiter. 8) Multimodale Mobilität: Mit besseren Apps sollen alle Einwohner das jeweils beste Verkehrsmittel finden, auch Autofahrer je nach Staulage Ausweichrouten erhalten. Für neu erbaute Wohnquartiere gibt es moderne Mobilitätskonzepte. 9) Parkplätze: Für die ganze Stadt wird ein Konzept zur Neuaufteilung des Straßenraums erstellt. Nach Wald- und Bachstraßenviertel erhalten das Graphische und Seeburgviertel ein Quartiersparken. 10) Infrastruktur: Die Konzepte für den Radverkehr, Zebrastreifen, Gehwegsanierungen und Lückenschlüsse werden bald aktualisiert. Von Jens Rometsch

Mobilitätskonzept vorgelegt - Wie rollt der Verkehr in Leipzig im Jahr 2030?