Petitionen eingereicht – Widerstand gegen neues Gaskraftwerk in Leipzig

Mindestens zwei Überraschungen gab es, als vor wenigen Tagen die Landesdirektion Sachsen auf eine öffentliche Auslegung ab dem 13. Februar 2020 hinwies. Anlass war ein Antrag der Leipziger Stadtwerke auf „Errichtung und Betrieb des Gasturbinenheizkraftwerks HKW Leipzig Süd“ an der Bornaischen Straße 120. Außer dem Kraftwerk mit zwei 54 Meter hohen Schornsteinen soll dort unter anderem auch ein 60 Meter hoher und 30 Meter breiter Wärmespeicher entstehen, hieß es in der Bekanntmachung der Behörde. Das war aber schon allgemein bekannt. Betriebsstart im Mai 2022: Überraschend erschien hingegen das Datum der vorgesehenen Inbetriebnahme. Bereits im Mai 2022 soll das neue Kraftwerk zum ersten Mal laufen. Die Aufnahme des Dauerbetriebs sei dann „für November 2022 beabsichtigt“, so die Landesdirektion. Zudem stellte sie klar, dass das Baufeld für Leipzigs zweites großes Gaskraftwerk in der Gemarkung Lößnig liegt (also südlich der S-Bahn-Strecke von Connewitz nach Markkleeberg). Weil das dortige Stadtwerke-Areal sowohl Flure von Lößnig als auch von Connewitz umfasst, wurde bisher meist fälschlicherweise von Connewitz gesprochen. In diesem Teil des Geländes (auf dem früheren Kohlelager-Platz) sind aber nur Photovoltaik-Anlagen zur Versorgung des Kraftwerks mit Öko-Strom geplant. Das Turbinenhaus, die Pumpen und der Speicherturm sollen auf Lößniger Flur entstehen – recht nahe der Waldorfschule „Karl Schubert“ auf dem ehemals Keesschen Rittergut. Gesprächsforum in Waldorfschule: Vergangene Woche fand in dieser Schule ein weiteres Gesprächsforum zu dem Vorhaben im Umfang von mehr als 150 Millionen Euro statt. „Mich ärgert, dass die Stadtwerke so tun als ob sie da was ökologisch ganz Tolles planen“, lautete das Fazit von Ralf Wendt. „In Wahrheit geht es ihnen ums Geldverdienen.“ Der Physiker und Chef der Plagwitzer Myesto GmbH, die sich auch schon mal mit hocheffizienten Wärmepumpen beschäftigt hat, startete mit weiteren Mitstreitern eine Petition „KeinGaskraftwerkSüd“. Deren Hauptforderung: Aus Gründen des Klima- und Gesundheitsschutzes sollen die Stadtwerke keine neue Anlage zur Verbrennung fossiler Rohstoffe bauen, sondern gleich ganz auf erneuerbare Energieträger umstellen. „Alles andere würde die Umstellung nur um Jahrzehnte verzögern“, so Wendt. Ob Solarthermie, Wärmepumpen oder industrielle Abwärme: Die Technologien zur klimaneutralen Versorgung Leipzigs seien längst da. Jedoch müssten die Stadtwerke dafür ihr Fernwärmenetz auf eine geringere Betriebstemperatur (40 statt 80 Grad) umrüsten. „Wer auf Erdgas setzt, verlagert die Umweltschäden in die Förderländer.“ Bisher rund 1000 Unterzeichner: 240 Unterzeichner (darunter 182 aus Leipzig) hat die Petition bisher gefunden. Sie soll nach der OBM-Wahl am 1. März an den Stadtrat übergeben werden. Schon eingetroffen ist dort eine weitere Petition mit 765 Unterzeichnern, die der Verband Wohneigentum Sachsen für die „unmittelbar betroffenen Nachbarwohngebiete“ formulierte. Zum Beispiel gehörten dazu die Gudrunsiedlung, die Siedlung Mariental und die Gartenstadt Marienbrunn. Es seien Gesundheitsschäden und Wertminderungen der Grundstücke zu befürchten, wenn sie bald „die Abgaswolken aus erster Hand“ erhalten. Der Verband empfahl stattdessen eine engere Zusammenarbeit mit dem Braunkohlekraftwerk Lippendorf. Dort könnten – nach Vorbild der Energiestrategie der Metropolregion Nürnberg – klimaschonende Anlagen entstehen, die auch weiterhin Wärme für Borna liefern. Angst vor „Abgaswolken“: Zur Verbandspetition hatte der Geschäftsbereich des amtierenden Oberbürgermeisters Burkhard Jung (SPD) im Januar Stellung bezogen. Das Gelände in Lößnig verfüge schon über alle Leitungsanbindungen: „Damit ist es möglich, den Bau der Gasturbinenanlage im Jahr 2022 fertigzustellen. Alle anderen Alternativen wären in einem solchen engen Zeitfenster nicht machbar und würden erheblich höhere Kosten verursachen.“ Der gültige Stadtratsbeschluss zum kurzfristigen Ausstieg aus der Fernwärmeversorgung mit Braunkohle lasse sich also nur mit dem Kraftwerksbau in Lößnig verwirklichen. Auch könne dort von Abgaswolken keinerlei Rede sein. Im Gegensatz zum Standort Lippendorf gebe es etwa „keine Feinstaub- und Quecksilberbelastung der Umwelt“. Der Brennstoffausnutzungsgrad im neuen Leipziger Gaskraftwerk würde mindestens 88 Prozent betragen. Hingegen liegt er im Kraftwerk Lippendorf, wo jährlich über zehn Millionen Tonnen Braunkohle verfeuert werden, bei 46 Prozent. In Lößnig sollen statt Erdgas später auch klimaneutraler Wasserstoff oder Biogas eingesetzt werden. Von Jens Rometsch

Kritik an Bauplänen - Zwei Petitionen eingereicht – Widerstand gegen neues Gaskraftwerk formiert sich