Reicht der Grippe-Impfstoff für alle, wenn ein Ansturm einsetzt?

Wegen der Pandemie raten Ärzte in diesem Jahr besonders eindringlich zur Grippe-Impfung. Sie schützt zwar nicht vor Covid 19, kann aber eine gefürchtete Doppelerkrankung verhindern. Der SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach möchte sogar, dass sich jeder kostenlos gegen Grippe impfen lassen kann. Corona und Grippe seien „eine gefährliche Mixtur“, so der Bundestagsabgeordnete. Doch ist das überhaupt praktikabel? Wir beantworten die wichtigsten Fragen. Reicht der Impfstoff aus, wenn sich tatsächlich jeder impfen lässt? Nach Kenntnis der Kassenärztlichen Vereinigung Sachsen (KVS) wurden in Deutschland für die aktuelle Saison 25 Millionen Impfdosen produziert. „Eine Nachproduktion ist technisch ausgeschlossen“, so die KVS. Bei einer Impfforderung für jeden und einer Bevölkerungszahl von weit mehr als 80 Millionen Einwohnern in Deutschland würden die Ampullen daher nicht reichen. Lauterbachs Forderung sei daher „populistisch“, meint Thomas Lipp, der Chef des sächsischen Hartmannbundes. Weil aber das Impfverhalten der Bevölkerung in diesem Jahr nicht einschätzbar sei, „kann derzeit niemand sagen“, ob die Ampullen letztlich genügen, sagt Knut Köhler von der Sächsischen Landesärztekammer. Das Leipziger Gesundheitsamt wiederum ist optimistisch: „Es wird reichen, wie in den vergangenen Jahren auch.“ Wurden die Influenza-Impfstoff-Dosen bereits ausgeliefert? Bis zur vorigen Woche sind schon rund 18 Millionen Dosen freigegeben worden. Das sind nach Angaben des Paul-Ehrlich-Instituts, des Bundesinstituts für Impfstoffe, bereits jetzt weit mehr als in der gesamten Saison 2018/19. Wer sollte sich auf jeden Fall impfen lassen? Laut KVS sollte der Fokus auf Patienten über 60 Jahren, chronisch Kranken, medizinischem Personal sowie Menschen mit berufsbedingt vielen sozialen Kontakten liegen. Wenn eine Influenza-Impfquote von 85 bis 90 Prozent in diesen Gruppen erreicht würde, wäre das „ein großer gesundheitspolitischer Erfolg“, meint Thomas Lipp vom Hartmannbund. Statistiken zufolge wurde beispielsweise in der Grippe-Saison 2016/17 in den westlichen Bundesländern nur eine Impfquote von circa 30 Prozent erreicht, in den östlichen Bundesländern lag sie bei gut 50 Prozent. Die Sächsische Impfkommission wiederum empfiehlt schon seit zehn Jahren wiederkehrend die Impfung gegen die Influenza-Virusgrippe für alle Kinder (ab vollendetem 6. Lebensmonat), Jugendlichen und Erwachsenen – praktisch für die gesamte Bevölkerung. Kommt auf die Arztpraxen ein Ansturm von Impfwilligen zu? „Ja, damit ist zu rechnen“, meint zumindest die Kassenärztliche Vereinigung Sachsen. Bislang geht es aber noch recht ruhig zu. Die Nachfrage ist nicht größer als in den Vorjahren, hat der Leipziger Gynäkologe und Urologe Tom Kempe festgestellt. Er sei in seiner Praxis „schon kräftig dabei zu impfen“. Als Gynäkologe verstehe er sich als Hausarzt der Frauen. Ganz besonders gilt seine Impf-Empfehlung den Schwangeren. Auch in der Impfstelle des Gesundheitsamtes Leipzig gibt es derzeit keine erhöhte Zahl von Anfragen. Dort wird noch nicht geimpft. In Kürze – sobald der Impfstoff da sei – soll es losgehen. „Jeder, der sich impfen lassen will, sollte zu seinem Hausarzt gehen“, rät das Gesundheitsamt. Es sei nur „für die Versorgung bei Impflücken zuständig“. Ist es sinnvoll, sich schon jetzt impfen zu lassen? In einigen Arztpraxen läuft die Vorsorgeaktion seit Wochen. Die Empfehlung ist, ab Oktober zu impfen. „Ein früherer Impfbeginn hätte den Nachteil, dass dann eine Nachimpfung im Januar erforderlich würde, aber zu diesem Zeitpunkt mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit kein Impfstoff mehr vorhanden sein wird“, teilt die Kassenärztliche Vereinigung auf LVZ-Anfrage mit. Thomas Lipp, der auch selbst als Allgemeinmediziner in Leipzig praktiziert, will die Impfung ab 1. Oktober anbieten, hält Ende Oktober und November jedoch für den günstigsten Zeitraum, da die Wirkung nach drei Monaten bereits nachlasse. Für seine Praxis hat er 20 Prozent mehr Ampullen bestellt als im Vorjahr. Ab wann zirkulieren Influenzaviren? Influenzaviren, die die Grippe hervorrufen, zirkulieren nach Angaben des Robert-Koch-Institutes (RKI) bereits im Herbst. Grippewellen – eine erhöhte Influenza-Aktivität – beginne aber meist erst im Januar und dauere drei bis vier Monate. In der laut RKI ausgesprochen heftigen Saison 2017/18 starben in Deutschland etwa 25 000 Menschen an Influenza. Sind die Grippeimpfungen kostenlos? Derzeit übernehmen einige Krankenkassen die Kosten nur für Patienten, die zu einer Risikogruppe zählen, andere dagegen für alle Versicherten. Laut KVS kommt es also zum Beispiel auf das Alter und Nebenerkrankungen an, aber auch darauf, bei welcher Krankenkasse man versichert ist, ob man Anspruch auf eine kostenlose Influenzaimpfung hat. Manche Krankenkassen erstatten jedoch auf Anfrage auch bei Nichtrisikogruppen. Von Sabine Kreuz