Revolte der Tanzschulen in Leipzig und Sachsen: Mitte April wollen sie mit Individualunterricht öffnen

„Darf ich bitten?“ hat schon lange niemand mehr in einer Leipziger Tanzschule gefragt. Seit November dreht sich kein Bein mehr auf dem Parkett, alles ist dicht, mittlerweile den sechsten Monat. Den Inhabern reicht’s: Weil sie mit Bitten an die Politik nicht weiterkommen, wollen sie handeln – und am 19. April für Individualunterricht wieder öffnen. Fred Jörgens (54), Mitinhaber der Leipziger Tanzschule Jörgens: „Wir berufen uns darauf, dass sich in Sachsen zwei Haushalte treffen dürfen.“ Oliver Thalheim (43) von der Tanzschule Thalheim & Spiesbach: „Wir sind das erste Bundesland, in dem so eine Initiative startet.“ Interessengemeinschaft gegründet: Jörgens und Thalheim, eigentlich Konkurrenten, haben sich zusammengetan und im März die Interessengemeinschaft Tanzen in Sachsen gegründet. Die Resonanz war groß, mehr als 100 Institutionen rund ums Tanzen mit rund 1000 Angestellten und Azubis haben sich angeschlossen. Sie betreuen normalerweise wöchentlich eine Million Kundinnen und Kunden. Viele Kursteilnehmerinnen und Kursteilnehmer warten sehnsüchtig darauf, dass sie endlich wieder kommen dürfen, zahlen sogar ihre Beiträge weiter. „Ohne unsere treue Kundschaft wären wir gar nicht mehr da“, schätzt Fred Jörgens ein, dessen Unternehmen immerhin 61 Jahre alt ist. Nur mit privaten Einlagen hätten die Betriebe die Schließzeit bisher überstanden. Mit den Folgen werden sie noch lange kämpfen, da sie auch im vergangenen Jahr nur eingeschränkt arbeiten durften und keine Neukunden gewinnen konnten. Ein Tanzlehrer betreut ein Tanzpaar: Falls die Tanzschulen am 19. April tatsächlich wieder loslegen, dann nur nach vorheriger Termin-Buchung. Ein Tanzlehrer betreut ein Paar, so der Plan – mit Tests, großem Abstand, Masken, Lüften, Einbahnstraßensystem, Kontakterfassung. Zu Uhrzeiten, die den Kunden passen – egal ob Montag oder Sonntag, frühmorgens oder spätabends. „Kostendeckend oder gar wirtschaftlich wird das nicht, aber wir wollen unseren Kunden sowie den Mitarbeitern, die alle in Kurzarbeit sind, eine Perspektive bieten“, so Oliver Thalheim. Bei Politikern Gehör finden: Ob es tatsächlich dazu kommt, bleibt abzuwarten, denn bis dahin wird es eine neue sächsische Corona-Schutzverordnung geben. „Dann werden wir kurzfristig entscheiden“, so Profitrainer Jörgens. Eigentlich wollen die Tanzschulen aber vor allem eins erreichen: bei den Politikern wieder Gehör finden und Perspektiven aufgezeigt bekommen. „Wir sind mit Politikern aus Leipzig und Sachsen im Gespräch“, berichtet Oliver Thalheim, Organisator der jährlichen Tanz-WM in Leipzig. „Aber die Zeit der Floskeln ist vorbei. Jetzt machen wir ein Angebot und sind gespannt, wie die Politik reagiert.“ Es könne schließlich nicht sein, dass die Pandemie auf dem Rücken der Freizeitbranche ausgetragen wird, während in der Industrie weiter am Fließband gearbeitet werde: „Wenn schon Lockdown, dann für alle.“ Von Kerstin Decker