Sängerin Bianca Aristía: Kreativ durch die Corona-Krise in Leipzig

Bianca Aristía wusste sehr früh, was sie wollte. Während die meisten Berufslebensläufe mindestens einen Zickzack und mehrere Umleitungen nehmen, kam für sie immer nur eins ernsthaft in Frage: Sängerin werden. Längst ist der Wunsch Wirklichkeit geworden. Doch auch auf einem entschlossen eingeschlagenen Weg kann eine ungeplante Barriere auftauchen – sie blockiert gerade die Normalität und heißt Corona. Wie alle Künstlerinnen und Künstler verdammen die aktuellen Beschränkungen auch Aristía zum Warten und Durchhalten. Keine Shows, kein analoger Kontakt zum Publikum, kaum finanzieller Verdienst. Seit Beginn der Krise hält sie sich durch Gesangsunterricht und Engagements bei Hochzeitsfeiern über Wasser. „Auch sonst habe ich kaum Leerlauf“, sagt die 28-Jährige, „ich nutze die Zeit für neue Kompositionen.“ Musik als Treibstoff zum Leben – das kennt sie gar nicht anders. Erster Song mit acht Jahren: Schon als Achtjährige schrieb die in Annaberg-Buchholz als Bianca Böhme Geborene ihr erstes Lied. Mit elf Jahren erfasste sie zum einen die Faszination des Rhythm’n’Blues und Soul, zum anderen die der spanischen Sprache, inspiriert von ihrem Großvater, der sich damit befasst hatte. Autodidaktisch lernte Bianca das Klavierspielen, produzierte ab dem 13. Lebensjahr Beats und Songs, mit Texten auf Englisch und Spanisch. Nach dem Abitur begann die gebürtige Erzgebirglerin ihr Studium für Jazz/Pop-Gesang an der Leipziger Hochschule für Musik und Theater (HMT), das auch ihr Faible für weitere Stile wie Jazz, Latin, Funk und Fusion verstärkte; den Abschluss machte sie 2018 mit dem obligatorischen Konzert. Sechs Jahre zuvor kursierte an der HMT eine Mail mit dem Aufruf, sich bei der Casting-Show „The Voice of Germany“ zu bewerben. Bianca Böhme wurde gecastet, blieb lange im Rennen und scheiterte erst im Viertelfinale. Eine aufregende und lehrreiche Zeit, die der damals 20-Jährigen vor allem verdeutlichte, was sie nicht will. Die Frau, der jeglicher Hang zu exaltierter Selbstinszenierung und -überschätzung abgeht, wurde mit knallharten Bedingungen vor und hinter der Bühne konfrontiert, mit effektheischendem Umschreiben ihrer Biografie und Knebelverträgen. „Das hat mir gezeigt, wie wichtig künstlerische Unabhängigkeit ist“, resümiert sie. Im Jahr darauf nahm sie ihren Künstlernachnamen Aristía an. Unter diesem Pseudonym erschien 2019 in kompletter Eigenproduktion mit ihrem Freund und Keyboarder Lennart Jahn das Album „Rise“. Für das kommende Jahr ist der zweite Longplayer geplant. Darauf dürften vor allem Stücke auftauchen, die Bianca in der Ära Corona kreiert hat. Song über Isolation: Die Krisenzeit hat Aristiá unter anderem zu dem mitreißenden Gitarrenpop-Stück „Isolation Trap“ inspiriert, in dem sie dem Gefühl nachspürt, abgetrennt vom normalen Leben zu sein. Die jüngste Veröffentlichung heißt „Better“ – eine emotionale Achterbahnfahrt auf den Gleisen von R’n’B und Trap über die Ungewissheit von der Stabilität einer Liebe. Im Netz zeigt die Sängerin durch wöchentlich neu erscheinende „Songsnippets“ auf ihrem Youtube-Kanal konstante Präsenz – Schnipsel von noch unvollendeten Stücken aus dem reichhaltigen kreativen Zwischenspeicher. Der Rest ist Warten. Warten auf eine Entspannung der Lage, die ihr und den mit ihr verknüpften Bands eine Rückkehr auf die Bühnen ermöglicht. „Wir gehen gerade durch eine unglaubliche Zeit, in der Kultur und Künstler zu den stark Benachteiligten gehören“, konstatiert Aristía, die die Aktion „#Alarmstufe Rot“ von Kulturschaffenden aller Genres unterstützt. 2021, da ist sie sicher, wird das Jahr sein, auf dem sie ihren Weg weitergehen kann. Mit der sanften Entschlossenheit, die Bianca Aristía ausmacht. www.biancaaristia.com Von Mark Daniel