Spreadshirt aus Leipzig: „Der AfD bedrucken wir kein T-Shirt mehr“

Eike Adler klingt aufgeregt. Die Sprecherin von Spreadshirt ist dieses Jahr schon häufiger in Erklärungsnot gekommen. Aber diesmal, seit zwei Autos auf dem Firmengelände in Plagwitz ausbrannten, ist alles anders. „Natürlich muss man auch eine Meinung jenseits des Mainstream äußern können“, sagt sie. „Aber es gibt Grenzen.“ Spreadshirt ist deutscher Marktführer, wenn es um das Bedrucken aller möglichen Dinge geht: Tassen, T-Shirts, Bettwäsche. Warum beschäftigt man sich hier mit den Grenzen der Meinungsfreiheit? Auf der Website kann man eigene Motive hochladen und diese in einem eigenen virtuellen Shop anbieten. Spreadshirt druckt dann auf Nachfrage und beteiligt die Designer an den Erlösen. Hinter den Shop-Betreibern stecken beispielsweise kleine Fußballclubs, die Trikots und Schals mit ihrem Vereinswappen unter ihre Fans bringen wollen. Aber nicht jeder meint es so gut. Im Mai lud der Nutzer „Q-Shirt 17“ ein Motiv hoch, das einen Davidstern mit der Aufschrift „nicht geimpft“ zeigte. Auf Twitter wurde ein Screenshot davon herumgereicht, es kochte Ärger gegen Spreadshirt hoch. Machte die Leipziger Firma etwa Geld mit antisemitischen Inhalten? Der Konzern entschuldigte sich und löschte das Motiv – noch bevor es jemand geordert hatte. Zehn Millionen Motive werden bei Spreadshirt nach eigenen Angaben jedes Jahr hochgeladen. Und darunter auch immer wieder problematische. In den vergangenen Monaten tauchten immer wieder Screenshots davon auf Twitter auf, wo Spreadshirt sich entschuldigte. „Wir haben technische Filter, die einen Großteil aller bei uns verbotenen Motive herausfiltern“, sagt Adler. Dazu zählen zum Beispiel verfassungsfeindliche Kennzeichen. Daher könnte beispielsweise auch niemand ein Hakenkreuz-T-Shirt auf der Website erstellen. Auf ein antisemitisches Motiv folgte ein Brandanschlag: Nur ist es nicht immer so eindeutig. Über die Frage, welche Motive man druckt und welche nicht, beschäftigt sich bei Spreadshirt ein eigens gegründetes Gremium: Eine Art ethisch-moralischer Rat, der entscheidet, was zwar unter die Meinungsfreiheit fällt – aber trotzdem nicht auf Spreadshirt erscheinen sollte. „Etwa fünf Kollegen beschäftigen sich mit den neuesten Codes und Entwicklungen verschiedener politischer Szenen“ sagt Adler. Außerdem durchsuchen sie die Website nach Motiven, die der Filter nicht erwischt. Manchen in Leipzig scheinen die Spreadshirt-Mitarbeiter nicht genau genug zu arbeiten – oder nicht streng genug zu löschen. In einer Nacht im Juni brannten zwei Autos auf dem Firmengelände von Spreadshirt aus. Wer die Brandstiftung verursachte, ist ungeklärt. Es tauchte aber ein Bekennerschreiben auf. In diesem hieß es: „So haben die antisemitischen Motive den Laden etwas mehr gekostet als eine lahme Twitter-Entschuldigung. Vielleicht ändert sich ja was, ansonsten kommen wir später nochmal vorbei.“ „Der AfD würden wir keine T-Shirts mehr bedrucken“: Nun, einige Monate später, ändert sich tatsächlich etwas. Spreadshirt hat neue Community-Richtlinien. Man wolle künftig „irreführende“ und „schädigende“ Inhalte nicht mehr auf der Plattform zulassen. Beispielsweise ein T-Shirt mit der Aufschrift „Impfen macht krank“ würde man künftig nicht mehr in Plagwitz drucken. Denn dabei, erklärt Sprecherin Adler, handele es sich nicht um eine bloße Meinung, sondern einen Spruch, der der „öffentlichen Gesundheit“ Schaden zufügen könnte. Die neuen Richtlinien verbieten außerdem „Hate Speech“, also die Herabsetzung bestimmter Personen und Personengruppen. Diese Richtlinie kam bereits zur Anwendung. Im Sommer schloss Spreadshirt den virtuellen Shop des rechten österreichischen Politikers Heinz-Christian Strache, den dieser auf der Plattform eröffnet hatte.Und das auch auf öffentlichen Druck hin: „Wir bekamen Hinweise aus der Community, was für Inhalte Herr Strache öffentlich äußert“, sagt Sprecherin Adler. „Da diese zum Teil Volksverhetzung und Antisemitismus enthielten, haben wir seinen Shop geschlossen.“ Der Politiker warf den Leipzigern daraufhin Zensur vor und drohte mit einer Klage. „Aus dem selben Grund“, sagte Adler, „würden wir auch der AfD keine T-Shirts mehr bedrucken. Einzelne Politiker der Partei äußern oder verhalten sich immer wieder volksverhetzend und diskriminierend – das dulden wir nicht auf unserer Plattform.“ „Wir können nicht einzelne Buchstaben verbieten“: Haben also der öffentliche Druck auf Twitter und der Brandanschlag das Leipziger Unternehmen dazu bewogen, sich die neuen Regeln aufzuerlegen? Wollte man eigentlich liberaler sein, als es nun möglich zu sein scheint? Da widerspricht Adler. Eher liege der Grund in der Corona-Krise. Seit dieser hätten Verschwörungstheorien zugenommen. „Es sind Themen hochgekommen, die es vorher noch nicht gab“, sagt die Sprecherin. „Immer neue Verschwörungstheorien und andere Codewörter werden benutzt.“ Und um dagegen gerüstet zu sein, benötige man ein immer differenzierteres Regelwerk. Die neueste Herausforderung ist für Spreadshirt die „QAnon“-Bewegung. Diese verbreitet die wirre Mythe, dass amerikanische Eliten – und allen voran Bill Gates und Hillary Clinton – einen internationalen Kinderhändlerring betreiben. Ihre häufig rechtsextremen Anhänger lassen sich nun auch immer wieder auf Anti-Corona-Demos sehen. Als Erkennungszeichen tragen sie T-Shirts oder Buttons, die bloß ein großes „Q“ zeigen. Vielleicht auch gedruckt von Spreadshirt? „Seit Mai haben wir QAnon-Inhalte bei uns verboten“, sagt Adler. „Wir können aber nicht einen einzelnen Buchstaben verbieten – nur, weil eine Bewegung ihn für sich reklamiert.“ Von Josa Mania-Schlegel