Stadtrat hat entschieden: Leipzig bekommt sechs Milieuschutz-Gebiete

Der Wohnungsmarkt ist auch in Leipzig eng geworden. Wer gut verdient, hat die Auswahl und kann sich Quadratmetermieten von zehn Euro leisten. Doch wer niedrige Löhne, magere Renten oder Sozialleistungen bezieht, hat nicht selten Sorgen, überhaupt in seinem Wohnumfeld bleiben zu dürfen. Der Stadtrat hat nun am Mittwochabend nach kontroverser Diskussion mehrheitlich beschlossen, in sechs Gebieten mit 48 .000 Haushalten „soziale Erhaltungssatzungen“ einzuführen. Mit dem Milieuschutz, wie das genannt wird, sollen Luxussanierungen erschwert und hohe Mietsteigerungen nach Sanierungen verhindert werden. Die CDU, AfD und die FDP waren dagegen, weil damit ihrer Ansicht nach Investoren verschreckt werden. Welche Gebiete werden geschützt? Bei den sechs Gebieten handelt es sich um Lindenau, Altlindenau, die Eisenbahnstraße, den Lene-Voigt-Park, Connewitz und Eutritzsch. „Dort wurde ein soziales Verdrängungspotential nachgewiesen“, betonte Baubürgermeisterin Dorothee Dubrau (parteilos). Die Abgrenzung erfolgt nach städtebaulichen Kriterien - die Gebiete sind daher nicht mit den jeweiligen Ortsteilen identisch (die LVZ berichtete). Die Initiative dafür ging von den Linken aus, die bereits im Sommer 2019 im Stadtrat vorläufige Aufstellungsbeschlüsse für die Milieuschutzgebiete durchgesetzt hatten. Die sind aber befristet. „Über die Jahre verschwanden in Leipzig preiswerte Wohnungen, die uns heute fehlen“, sagte Linken-Stadtrat Matthias Weber. Durch die Satzungen finde künftig kein Wildwest im Umgang mit Mieterinnen und Mietern beim Handel mit Mehrfamilienhäusern und deren anschließender Luxussanierung mehr statt. „Wohnen ist ein Menschenrecht, dieses opfern wir nicht auf dem Altar der Marktlogik und Vermarktung“, hatte Leipzigs Linken-Chef und Stadtrat Adam Bednarsky vorab verkündet: „Der Schutz von Mieter-Interessen und bezahlbares Wohnen ist für uns ein Kernelement linker Politik.“ Tobias Peter (Grüne): „Durch einen spekulativen Immobilienmarkt sind auch in Leipzig preiswerte Wohnungen verschwunden und Menschen verdrängt worden.“ Wer eine attraktive Stadt will, müsse auch auf soziale Kriterien achten und für lebendige, vielfältige und gut durchmischte Gebiete zu sorgen.“ Dass Bauaktivitäten zum Erliegen kommen, sei durch die Satzungen nicht zu erwarten, findet Peter. CDU sieht Bevormundung von Investoren und Bürgern: „Gegen steigende Mieten müssen wir zwar etwas tun, Erhaltungssatzungen sind aber der falsche Weg“, entgegnete Siegrun Seidel (CDU). Das sei „wirtschaftlicher Humbug“. „Das ist wieder einmal eine neue Bevormundung der Investoren und der Bürger“, kritisierte Tobias Keller (AfD): „Gerade jetzt, wo die Wirtschaft Aufträge braucht, vernichten wir Arbeitsplätze.“ Die Satzungen seien „sozialistische Bevormundung.“ Anders Getu Abraham (SPD): „Stadtentwicklung eignet sich nicht zum Klassenkampf.“ Er erinnerte daran, dass die Politiker sich auf ihren Wahlplakaten für preiswerten Wohnraum stark machen wollten. „Ich bin aber auch der Meinung, dass nicht jede verputzte Ziegelwand oder funktionierende Wasserspülung Luxus ist“, ergänzte er. „Es gibt in Leipzig mehr Wohnungen als vor Jahren“, hielt Sven Morlok (FDP) dagegen: „Mehr Bauen führt zu mehr Wohnungen und dann auch zu preiswerteren Mieten.“ Wer höhere Standards in Wohnungen verbieten will, sorge eher für eine „Entmischung“. Denn wer es sich leisten kann, ziehe weg. Deshalb seien die Erhaltungssatzungen auch politischer Unsinn. „Die Genossenschaften haben gesagt, dass es Leerstand gibt und sie Wohnungen nicht sanieren können, weil sie es nicht finanzieren können“, sagte Karsten Albrecht (CDU). Darum müsse die Stadt sich kümmern. Was bedeutet der Milieuschutz konkret? Hauseigentümer sind in den sechs Gebieten künftig verpflichtet, alle Bauvorhaben, Abrisse oder Nutzungsänderungen vorab durch die Stadt prüfen und genehmigen zu lassen. Das gilt auch für Eingriffe, für die man sonst eigentlich keine Baugenehmigung braucht. Kriterien, welche Sanierungsarbeiten an den dortigen Altbauten in Zukunft noch erlaubt werden und welche nicht, sind nicht beschlossen. Das will die Verwaltung in den Stadtratsausschüssen diskutieren. Falls Eigentümer Häuser veräußern wollen, will sich die Stadt auf Initiative der Grünen sogar ein Vorkaufsrecht - etwa zugunsten Dritter wie der LWB - sichern. Wie genau, das wird noch in diesem Jahr eine Richtlinie erarbeitet. Gewerbliche Nutzungen sind durch den Beschluss nicht betroffen. „Natürlich wollen wir da Gewerbe im Hinterhof ebenso erhalten wie die kleine Eckkneipe. Doch das wird nicht in Erhaltungssatzung für Wohnraum geregelt“, sagte OBM Burkhard Jung (SPD). Weitere Hintergründe: Milieuschutz: Schon 24 Bauprojekte in Leipzig gestoppt Stadt will Luxussanierungen in Leipzig erschweren Von Mathias Orbeck